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Gesundheit

1,5 Mio. Euro für Alzheimerforschung

Für seine Forschung zu den Ursachen des Alterns, insbesondere der Gehirnalterung und der Alzheimer-Krankheit, erhält der Molekularbiologe Jerome Mertens einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC). Die Förderung ist mit rund 1,5 Millionen Euro dotiert.

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) unterstützt Pionierforschung von herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Die Förderung ist der neunte Starting Grant des ERC, der an die Universität Innsbruck geht.

Altersbedingte Mechanismen von Alzheimer

Krankheiten wie Alzheimer sind auf dem Vormarsch und zeichnen sich dadurch aus, dass, mit wenigen Ausnahmen nur ältere, nie aber junge Menschen erkranken. „Für die Entwicklung solcher Krankheiten ist der biologische Alterungsprozess unserer Gehirnzellen von zentraler Bedeutung“, erklärte Jerome Mertens, Leiter des Neural Aging Laboratory an der Universität Innsbruck. „Leider ist unser wissenschaftliches Verständnis der molekularen und zellulären Ursachen des Alterns noch immer gering“, sagte Mertens: „Bisher gibt es keine schlüssige Erklärung, weshalb nur alte Gehirne von der Alzheimer-Krankheit befallen werden.“

Jerome Mertens

Jerome Mertens (*1983 in Niedersachsen) ist seit 2017 Assistenzprofessor und leitet das Neural-Aging-Labor in der Abteilung für Genomik, Stammzellbiologie und Regenerative Medizin am Institut für Molekularbiologie der Universität Innsbruck. Er ist zudem Staff Scientist am Salk Institute for Biological Studies in San Diego, Kalifornien. 2012 promovierte er summa cum laude mit der Arbeit „Human iPSC-derived neurons for modeling Alzheimer’s Disease and Drug Validation“ in Molekularer Biomedizin an der Universität Bonn, danach war er als Post-Doc am Salk Institute tätig.

Die Erforschung der Krankheit basiert vorwiegend auf Tiermodellen, allerdings sind die Untersuchungsergebnisse von Mäusen nicht eindeutig auf den Menschen zu übertragen. Nicht nur, dass sich deren Aufbau unterscheidet, ist die Lebenserwartung von Tiermodellen ungleich kürzer als die des Menschen. Vorhandene Technologien aus der Stammzellforschung erlauben es, menschliche Nervenzellen aus Hautzellen von Alzheimer-Patienten und Kontrollprobanden herzustellen, erläuterete Mertens, doch leider seien diese Zellen stets durch den Reprogrammierungsprozess künstlich verjüngt und stellen gewissermaßen „Baby-Nervenzellen“ dar.

Herstellung von „alten“ Nervenzellen

Das Team um Jerome Mertens hat eine alternative Methode entwickelt, die ohne Stammzell-Reprogrammierung auskommt: Hautzellen von Patienten werden direkt in Nervenzellen umgewandelt, wodurch „alte“ Nervenzellen hergestellt werden können. "Eine genomweite Genexpressionsanalyse an Alzheimer- und Kontroll-Nervenzellen hat uns bereits einzigartige neue Einblicke in die molekulare Zellbiologie der Alzheimer-Krankheit in Nervenzellen gewährt.

So scheint es, als hätten die Nervenzellen von Alzheimer-Patienten ihre reife Identität verloren, und zeigen nun Ähnlichkeiten mit ‚unfertigen‘ Nervenzellen, die weniger optimal ihre Aufgaben im Körper bewerkstelligen können und ‚verkümmert‘ wirken", so der Mikrobiologe. Mit dem Verlust von Merkmalen der Zelldifferenzierung zeigen diese Anzeichen der Alzheimer-Krankheit damit einige verblüffende Ähnlichkeiten zu Krebszellen auf. Krebs tritt ähnlich wie Alzheimer in hohem Alter auf, allerdings ist dabei die unkontrollierte Zellwucherung problematisch, nicht deren Verkümmerung.

Neue Ansätze in der Alzheimerforschung

Mertens geht mit seinem Team gezielt der Frage nach, welche altersbedingten Mechanismen die Anzeichen der Alzheimer-Krankheit auslösen. „Auf Grundlage unserer bisherigen Daten erwarten wir, auch Erkenntnisse aus der Krebsforschung nutzen zu können, und mit ihrer Hilfe neue und zum Teil unerwartete Methoden zur Bekämpfung der Alzheimer-Krankheit aufzeigen zu können. Des Weiteren werden wir unser Modellsystem ausweiten und Alzheimer-Patienten im Frühstadium rekrutieren, um mit Hilfe unserer ‚alten Nervenzellen‘ gezielt Einblicke in die frühen und möglicherweise besser behandelbaren Mechanismen der Krankheit zu erlangen“, erklärte der Forscher.

Mertens erwartet, dass das nun geförderte Forschungsprojekt neue und bisher unerreichbare Einblicke in menschliche Nervenzellen bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit erlauben und zur Entwicklung neuer Therapien zur Behandlung altersbedingter Krankheiten, insbesondere der Alzheimer-Krankheit, beitragen wird.