Grafik eines menschlichen Gehirns
Pixabay
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Wissenschaft

Gentherapie gibt Hoffnung bei Epilepsie

Neueste Forschungsergebnisse von Tiroler und Berliner Wissenschaftern können Epilepsie-Patienten Hoffnung geben. Eine gezielt angewendete Gentherapie erwies sich im Tierversuch als sehr erfolgreich.

Nun soll die Methode für die Anwendung beim Menschen optimiert werden, heißt es in einer Mitteilung der Medizinischen Universität Innsbruck. Geholfen könnte damit Patienten werden, die an einer sogenannten „Temporallappen-Epilepsie“ (TLE) leiden und bei denen andere Therapieversuche keinen Erfolg gebracht haben.

Krankheit mit schweren Beeinträchtigungen verbunden

Die TLE ist die häufigste Form von Epilepsie, bei ihr gehen die Anfälle im Gehirn vom Schläfenlappen aus. Langzeitfolgen der Erkrankung können Störungen der Gedächtnisfunktion, der Lernfähigkeit und der Emotionskontrolle sein. Zusätzlich schränken Arbeits-, Verkehrs- und Sportuntauglichkeit die Lebensqualität der Betroffenen ein.

Christoph Schwarzer
MUI/F. Lechner
Christoph Schwarzer hat mit einer Berliner Kollegin den neuen Ansatz entwickelt

Der Neurobiologe Christoph Schwarzer vom Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Innsbruck hat jetzt in Zusammenarbeit mit Regine Heilbronn, Direktorin des Instituts für Virologie am Charité Campus Benjamin Franklin einen neuen Therapieansatz entwickelt. Bei der Methode wird ein spezielles Gen in die Nervenzellen der betroffenen Gehirnregion eingeschleust.

Wirkstoff wird nur bei Bedarf abgegeben

Das Gen liefert die Produktionsanweisung für Dynorphin, eine körpereigene Substanz, die vor übermäßiger neuronaler Erregung schützen kann. Sobald die Neuronen das Gen aufgenommen und gespeichert haben, produzieren sie dauerhaft den Wirkstoff auf Vorrat.

„Bei hochfrequenter Stimulation der Nervenzellen, wie zu Beginn eines Anfalls, wird Dynorphin ausgeschüttet. Es bewirkt eine Dämpfung der Reizweiterleitung und der epileptische Anfall bleibt aus“, beschreibt der Epilepsie-Experte Christoph Schwarzer die Methode. „Da der Wirkstoff nur bei Bedarf von den Zellen abgegeben wird, sprechen wir von einer ‚drug on demand‘-Gentherapie.“

Immunhistochemisch gefärbte Nervenzellen im Hippokampus des Gehirns (Tiermodell)
Schwarzer/MUI
Gefärbte Nervenzellen im Gehirn. Hier wird ein Gen eingeschleust, sodass die Zellen bei Bedarf Dynorphin ausschütten

Das Forschungsteam konnte jetzt im Tiermodell zeigen, dass die Gentherapie epileptische Anfälle über mehrere Monate unterdrückt. Mit den Anfällen blieben auch deren negative Effekte auf Lernen und Gedächtnis aus. Nebenwirkungen wurden bisher nicht beobachtet, was sich durch die regional und zeitlich beschränkte Wirkung der Dynorphin-Ausschüttung erklären lässt. Durch die bedarfsgesteuerte Freisetzung wurden auch keine Gewöhnungseffekte festgestellt. Zusätzlich testeten die Forschungsgruppen das Behandlungsprinzip auch an Gewebeproben von Epilepsiepatienten. Dynorphin konnte die Stärke und Häufigkeit synchroner Neuronen-Aktivität im Gewebeverbund deutlich reduzieren.

Gen wird mit Hilfe von Viren ins Gehirn eingeschleust

„Die Ergebnisse unserer Studie stimmen uns zuversichtlich, dass der neue Therapieansatz auch bei Menschen Erfolg zeigen könnte“, sagt Christoph Schwarzer. „Wir nutzen als Transportvehikel für das Dynorphin-Gen sogenannte Adeno-assoziierte Viren, die bereits zur Therapie bei Menschen zugelassen sind und als sicher gelten“, so Heilbronn. Die neue Gentherapie wollen Christoph Schwarzer und Regine Heilbronn nun schnellstmöglich klinikreif machen. „Wir arbeiten derzeit daran, die virale Genfähre für die Anwendung am Menschen zu optimieren“, erklärt Christoph Schwarzer. „Unser Ziel ist, das Gentherapeutikum in wenigen Jahren als Arzneimittel erstmals in der klinischen Testphase einsetzen zu können.“

Bisher oft schlecht behandelbar

Zeigt sich die Behandlung erfolgreich, würde TLE-Betroffenen, bei denen eine medikamentöse Behandlung nicht wirksam ist, eine minimalinvasive Einmaltherapie als weitere Behandlungs-Alternative zur Verfügung stehen. Das gemeinsame Forschungsprojekt wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Bisher angewendete Medikamente zeigen bei dieser Form von Epilepsie oft keine ausreichende Wirkung und die chirurgische Entfernung der betreffenden Region im Schläfenlappen blieb die einzige Option. Das war allerdings mit Nebenwirkungen verbunden und garantierte selbst dann keine Anfallsfreiheit.