Jeder vierte Österreicher erleidet einmal in seinem Leben einen Schlaganfall, weiß Kiechl. Die Tendenz ist steigend, so sei 1990 nur jeder Sechste betroffen gewesen. Den hauptsächlichen Grund für die steigende Tendenz erblickt der Neurologe in der steigenden Lebenserwartung. Mit jedem Jahr steige die Lebenserwartung der Menschen um etwa drei Monate. Es habe sich zwar auch bei der Prävention viel getan, der Alterseffekt sei hier aber dominierend, so der Experte.
Forschung soll Patienten rasch zugute kommen
Das neue Forschungszentrum VASCage ist laut Stefan Kiechl ein Forschungs- und Entwicklungszentrum, in dem Universitäten mit Firmen zusammenarbeiten. Derzeit sind rund 45 Partner aus Europa und den USA an Bord.
Das Ziel sei eine Forschung, die beim Patienten ankomme und nicht in Schubladen verschwinde. In bestimmten Fällen könne es sein, dass Patienten schon nach ein bis zwei Jahren von der Forschung profitieren. Einen weiteren Vorteil in dem neuen Zentrum sieht Kiechl in dem Faktum, dass hier viele Menschen von der Klinik arbeiten, diese Menschen wüssten, wo es Lücken und Defizite gebe.
17 Millionen Euro zur Verfügung
Das VASCage ist zunächst auf acht Jahre angelegt. In den ersten vier Jahren stehen insgesamt 17 Millionen Euro zur Verfügung. Die Hälfte der Gesamtsumme kommt als Förderung von der öffentlichen Hand, die andere Hälfte übernehmen großteils die Industriepartner. Einen kleinen Teil steuern die wissenschaftlichen Partner bei.
Geld von Bund und Ländern
Die öffentlichen Fördergelder wiederum verteilen sich auf Bund und Länder. Zwei Drittel kommen vom Bund. Das verbleibende Drittel wird von den Ländern Tirol, Salzburg und Wien finanziert. Tirol hat mit 2,2 Millionen Euro den größten Länderanteil. Längerfristig sollen rund 50 Beschäftigte angestellt werden.
Forschungsbeispiele sind etwa künstliche Blutgefäße aus Stammzellen als Testsystem, der Einfluss der Ernährung in der frühesten Kindheit auf die Blutgefäßalterung, automatisierte Auswertung von Gefäßsystem-Bildaufnahmen zur individuellen Risikoabschätzung oder interaktive und computergesteuerte Bewegungsprogramme für die Langzeit-Reha.
Defizite in der Schlaganfall-Nachsorge
Während es bezüglich der Prävention dramatische Fortschritte gegeben habe, etwa was Medikamente bei zu hohen Blutfetten, bei Zuckerkrankheit oder zur Blutverdünnung betrifft, sieht Kiechl Defizite vor allem in der Nachsorge. Neben den Fortschritten bei der Prävention habe sich die Forschung auf die Akutbehandlung spezialisiert. Diese müsse aber durch eine entsprechende Nachsorge ergänzt werden. So gebe es bei Schlaganfällen auch eine chronische Komponente, so Kiechl, der auch der wissenschaftlich Verantwortliche bei VASCage ist. Gewisse Phänomene würden manchmal erst nach Monaten auftauchen, und so etwas wolle man mit VASCage ebenfalls abdecken.
Prävention sollte schon in der Jugend beginnen
Zur Prävention sagt Kiechl, dass sie schon in der Zeit ansetzen müsste, in der es erste negative Gefäßveränderungen gebe – und das sei bereits in der Zeit der Jugend. Was Kiechl als Prävention empfiehlt, klingt altbekannt: Er empfiehlt einen „gesunden Lebensstil“, das heißt gesunde Ernährung, kein oder nur wenig Alkohol, kein Rauchen und das alles verbunden mit Bewegung. Das Schlaganfallsrisiko hat man laut Kiechl weitgehend selbst in der Hand. Es gebe zwar einen genetischen Hintergrund, aber „schlechte Gene wirken sich nur dann aus, wenn der Lebensstil schlecht ist“, so Kiechl. Außerdem sei es wichtig, seine Risikofaktoren zu kennen, wozu Kiechl auch eine regelmäßige Gesundenuntersuchung empfiehlt.
Heute gute Chancen auf völlige Gesundung
Der Schlaganfall selbst kommt laut Kiechl in 80 Prozent der Fälle „aus heiterem Himmel“, bei den restlichen 20 Prozent könne er sich durch ein sogenanntes „Schlagerl“ ankündigen. Das seien kurz anhaltende Sprach- oder Bewegungsstörungen, die oft nur Sekunden bis Minuten anhalten. Auch da sollte man sofort die Rettung rufen, empfiehlt Kiechl. Bei rascher Reaktion und funktionierender Rettungskette stehen heute die Chancen, nach einem Schlaganfall wieder völlig gesund zu werden, nicht schlecht. Während das früher kaum einmal der Fall gewesen sei, würden heute sechs bis sieben von insgesamt zehn Patienten wieder völlig gesund, so der Schlaganfallsexperte.