Beruflich war Helmut Zander als Verkaufsleiter bei Tirol Milch tätig. Vor seiner Pensionierung stellt er sich selbst die Frage, was er nach seinem aktiven Berufsleben machen will, um sich selbst geistig fit zu halten. Nach dem Lesen eines Zeitungsartikels, wonach in Tirol mehr als sieben Millionen Euro für schulische Nachhilfe ausgegeben werde, habe er die Entscheidung gefasst, sich hier zu engagieren.
Im Jahr 2009 gründete Zander in Götzens (Bezirk Innsbruck-Land) den Verein „Kostenlose Nachhilfe für sozial Bedürftige“. Als Ein-Mann-Betrieb gab er damals Schülern in der Volksschule Götzens Nachhilfe. Sein erster Nachhilfeschüler war Ainullah.
120 Lehrer geben Nachhilfe in mehreren Fächern
Schnell wurde das Team rund um Zander größer. Aktuell geben mehr als 120 Lehrer Nachhilfe in den Hauptfächern Mathematik und Deutsch sowie in mehreren Fremdsprachen. Dabei ist der älteste Lehrer über 90 Jahre alt und lehrt Mathematik. Die jüngste, die bisher in seinem Team unterrichtete, war damals noch eine junge Frau, die die fünfte Klasse Gymnasium besuchte, erinnerte sich Zander.
Der Unterricht findet weder bei den Lehrern noch bei den Schülern zuhause statt, sondern in den Räumlichkeiten der Innsbrucker Seniorenheime. Dies habe die damalige Innsbrucker Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer möglich gemacht, so Zander.
Alle Lehrer arbeiten ausschließlich ehrenamtlich
Die Lehrer erhalten für ihre Tätigkeit kein Geld, ein Dankeschön sei alles, was sie sich erwarten können, erklärte Zander. Selbst die Ausgaben für Schreibmaterial müssten die Lehrer selbst tragen. Schulen stellen dankenswerterweise Lernbücher zur Verfügung, so Zander.
Das Projekt wurde bisher mit drei Sozialpreisen ausgezeichnet. Das Preisgeld wurde jedoch zur Gänze wieder für Jugendliche ausgegeben – beispielsweise für Skikurse.
Bis zum Ende des Schuljahrs 2018/19 wurden rund 1.800 Schülerinnen und Schüler von den Freiwilligen unterrichtet. Das Hilfsangebot steht grundsätzlich allen Kindern offen – vorausgesetzt, die Familie ist sozial bedürftig. Die meisten Kinder haben laut dem Vereinsobmann Migrationshintergrund und könnten dem Unterricht in der Schule ohne Hilfe keinesfalls folgen.
Ein Lehrer betreut dabei durchschnittlich drei Schüler. Die Nachhilfe ist nicht als dauerhafte Lernbegleitung gedacht, sondern soll punktuelle Schwächen abdecken. In den zehn Jahren seit Bestehen wurden den rund 1.900 Schülern rund 24.600 Stunden Nachhilfe erteilt.
Zander will Projekt auf ganz Tirol ausweiten
Derzeit werden nur Schüler in Innsbruck und Umgebung unterrichtet. Das Ziel von Helmut Zander ist es, sein Projekt auf ganz Tirol auszudehnen. In Telfs gebe es dank des Engagements von Bürgermeister Christian Härting in kleinem Rahmen bereits so ein ähnliches Projekt, zeigte sich Zander erfreut.
Sollten sich auch andere Bürgermeister oder Gemeinderäte dafür interessieren, freue er sich über deren Kontaktaufnahme bei ihm, meinte Zander.
Eltern geben mehr als 500 Euro für Nachhilfe aus
Laut Arbeiterkammer (AK) Tirol nahmen im vergangenen Schuljahr mehr als 17.000 Schülerinnen und Schüler eine externe Lernhilfe in Anspruch. Ihre Eltern gaben dafür mehr als fünf Millionen Euro aus. Nach der Studie der AK wurden dafür 540 Euro pro Kind ausgegeben, im Jahr davor waren es noch 620 Euro.