Schild Staatsanwaltschaft, Landesgericht
ORF
ORF
Gericht

Dopingaffäre: Deutscher Arzt unter Verdacht

Bei der Aufarbeitung der Dopingaffäre rund um die Nordische Ski-WM in Seefeld haben sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft neue Verdachtsmomente gegen einen Arzt in Bayern ergeben. Dieser wurde am Dienstag vernommen, stellte die Vorwürfe in Abrede.

Nach der Blutdoping-Affäre um einen deutschen Mediziner aus Erfurt ist ein weiterer deutscher Arzt wegen angeblicher Doping-Machenschaften ins Visier der Behörden geraten. Deutsche Behörden führten am Dienstag im Auftrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck bei dem Arzt in Bayern eine Hausdurchsuchung durch. Zeugen belasten den früheren ÖSV-Teamarzt.

Der in Bayern lebende Arzt, der ab 2006 im ÖSV Langläufer und Biathleten betreut hatte, wies gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ die Vorwürfe vehement zurück. „Ich habe niemandem Dopingmittel gegeben, noch weniger habe ich welche verkauft“, erklärte der beschuldigte Arzt Ulrich H.

Keine dopingverdächtigen Substanzen gefunden

Der Arzt ist laut den österreichischen Behörden in Aussagen von geständigen Dopingsündern belastet worden. „Unsere Ermittlungen ergaben, dass zwei bei uns geführte Personen, ein Spitzensportler und ein Trainer, den Arzt belasten, dass er ihnen fallweise Epo (das verbotene Blutdoping-Mittel Erythropoietin, Anm.) überlassen habe, zum Zweck der Leistungssteigerung im Sport“, sagte der Staatsanwalt Thomas Willam der „SZ“. Der Vorfall habe sich Ende 2013 zugetragen, sei womöglich aber nicht der einzige.

Bei der Durchsuchung am Dienstag, fünfeinhalb Jahre nach dem zugrunde liegenden Verdachtsfall, seien keine dopingverdächtigen Substanzen sichergestellt worden, sagte Willam. Elektronische Datenträger seien zur Auswertung mitgenommen worden. Der Arzt bestätigte, dass sein Laptop und mehrere Mobiltelefone konfisziert worden seien. Laut Aussendung der Innsbrucker Staatsanwaltschaft vom Samstag wurde er einvernommen, stellte die Vorwürfe aber in Abrede und befindet sich auf freiem Fuß.

Konserve für Blutdoping
APA/HELMUT FOHRINGER
Je mehr rote Blutkörperchen im Blut sind, desto leistungsfähiger arbeitet der Körper, da die Zellen mehr Sauerstoff bekommen.

Wie der Arzt gegenüber der „SZ“ angab, sei er im ÖSV ehrenamtlich tätig gewesen und von der Verbandsführung Ende 2006 nach dem Turin-Skandal geholt worden, um im Langlauf- und Biathlonbereich sicherzustellen, dass nicht gedopt werde.

Teil der „Operation Aderlass“

Die Hausdurchsuchung in Bayern ist ein Teil des Ermittlungskomplexes „Operation Aderlass“, den die Tiroler Dopingfahnder gemeinsam mit ihren Kollegen von der Münchner Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft vorantreiben. Losgetreten hatte die Lawine der österreichische Skilangläufer Johannes Dürr – der auch im neuen Fall eine Rolle spielt. Dürr war bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi mit EPO überführt worden. Nach einer zweijährigen Sperre und einem versuchten Comeback hatte der weiterhin dopende Dürr Ende 2018 den Behörden die Beweg- und Hintergründe seines Vergehens offengelegt.

Es folgten Untersuchungen und Überwachungen durch die Behörden und eine Großrazzia während der Nordischen Ski-WM im Februar in Seefeld. Dabei wurden fünf Skilangläufer, unter ihnen die Österreicher Max Hauke und Dominik Baldauf, festgenommen und gestanden verbotenes Blutdoping. Als Kopf der Affäre, in die mindestens 21 Sportler verwickelt sein sollen, gilt der Erfurter Arzt Mark S. Er sitzt seitdem in Deutschland in Untersuchungshaft.

ÖSV nimmt Stellung zur Hausdurchsuchung

In einer Stellungnahme am Samstagabend hielt der ÖSV fest, er habe keine Kenntnis vom Grund der Hausdurchsuchung beim ehemaligen medizinischen Betreuer der Langläufer. Ulrich H. sei „seit dem radikalen Umbau der Langlaufsparte im Frühjahr nicht mehr für den ÖSV tätig“. „Der ÖSV hat größtes Interesse an der Aufklärung des Dopingskandals und unterstützt jede behördliche Ermittlung in diesem Zusammenhang“, hieß es in der Aussendung.

Öffentliche Stellungnahmen von Ulrich H. während seiner ÖSV-Tätigkeit waren vor allem bei „Sonderfällen“ im Langlauf gefragt. Da zweifelte er im März 2009 nach einer gegen Christian Hoffmann verhängten Schutzsperre wegen eines nicht regelkonformen Verhältnisses von Retikulozyten zu Hämoglobin im Blut die Art der Testdurchführung und Auswertung an und wurde damals vom Anti-Doping-Experten Hans Holdhaus bestätigt.