An den Nachmittag des 10. Juli 1999 können sich die Bewohner des Ortsteiles Ried in Schwaz noch genau erinnern. „Plötzlich wurde es ungewöhnlich still, und eine Schar Vögel flog vom Eiblschrofen weg“, erinnerte sich Helga Donau. Sie hat den Felssturz in ihrem Wintergarten beobachtet. „Dann brachen große Teile des Berges heraus und krachten über die Bergflanke, die Staubwolke war riesig. Die Bäume knickten weg wie Streichhölzer“, beschrieb die Schwazerin.
Auch Walter Thurnbichler kann den Moment des Felssturzes noch genau beschreiben. Er saß damals im Kirschbaum vor dem Haus und pflückte Kirschen. Plötzlich habe er ein lautes Krachen und Donnern gehört. Dabei habe er sofort an einen Hubschrauber gedacht, berichtete der Einheimische. Eine Nachbarin habe ihm dann zugerufen „Walter, schau auf den Eiblschrofen!“ Da habe auch er die große Staubwolke bemerkt.
Der Moment
An den großen Abbruch am 10. Juli können sich die Evakuierten in Schwaz auch heute noch ganz genau erinnern.
Evakuierung ins Ungewisse
Immer wieder habe es am Eiblschrofen zuvor kleinere Steinschläge gegeben, erinnerte sich auch Kathi Danzl. Aber dieser Felssturz sei von Beginn an deutlich größer gewesen. Autogroße Felsteile donnerten ins Tal. Das Geräusch des Abbruches sei sehr unheimlich gewesen, man habe sofort gewusst, dass man nichts ausrichten könne, wenn man sich in der Nähe aufhalte, berichtete sie.
Noch am selben Abend wurden knapp 300 Bewohner des Ortsteiles Ried evakuiert. Der Eiblschrofen rumorte noch tagelang weiter. Für die Evakuierten begann damit eine lange Zeit der Ungewissheit. Auch die Experten waren sich nicht sicher, wie sich der Eiblschrofen weiter verhalten würde. Ob und wann die Bewohner wieder in ihre Häuser zurückkehren durften, war unklar. Die Felsmechaniker hätten sogar davon gesprochen, dass der ganze Berg herunterbreche und alle Häuser bis zum Inn verschütten werden, erinnerte sich Hans Donau zurück. Dieses Szenario trat glücklicherweise nicht ein, bei den Felsstürzen wurden keine Personen verletzt und auch keine Häuser beschädigt.
Immer noch aktiv
Auch heute noch ist der Eiblschrofen in Bewegung, immer wieder rumort und kracht es am Berg. Noch während der Zwangsevakuierung 1999 wurde fieberhaft mit den Arbeiten an einem Damm begonnen. Heute schützen zwei Dämme die Bewohner von Schwaz vor den Steinschlägen am Eiblschrofen. Und auch die ehemalige Sperrzone unterhalb des Berges ist wieder aufgeblüht. Dort wurde ein Jungwald errichtet, der gleichzeitig Schutz geben soll und auch als Erholungszone dient, berichtete der damalige und heutige Bürgermeister Hans Lintner (ÖVP).
Der Eiblschrofen
1999 gab es Überlegungen, den Eiblschrofen ganz loszuwerden. Davon wollen die Anrainer und auch Bürgermeister Hans Lintner nichts wissen.
Der am besten vermessene Berg
Damals war der Eiblschrofen auch einer der am besten vermessenen Berge in Tirol und wahrscheinlich in Europa. Um herauszufinden, wie sich der Berg verhält, startete das Land 1999 umfangreiche Messungen. Eine Schwazer Firma entwickelte ein damals einzigartiges Konzept des Langzeit-Monitorings. Mithilfe von GPS-Tracking wurde jede Bewegung des Berges genau registriert.
Drei GPS-Mess-Stationen wurden damals am Berg angebracht, eine weitere an einem Berg gegenüber, berichtete der Geschäftsführer von Trigonos, Christoph Kandler. Diese Messstationen lieferten zweimal täglich Messungen mit einer Genauigkeit von höchstens fünf Milimetern. So kam über die Jahre eine umfassende Datenreihe über die Bewegungen des Eiblschrofens zusammen.
Datensammlung vorerst beendet
Vor drei Jahren erklärten die Experten des Landes deshalb, sie hätten genug Daten gesammelt. Sie würden nun verstehen, wie sich der Eiblschrofen verhalte. Damit wurde das Langzeit-Monitoring eingestellt. Die Mess-Stationen blieben aber erhalten, sie können im Notfall in kürzester Zeit wieder aktiviert werden, erklärte Kandler. Gleichzeitig werden im Inneren des Eiblschrofen vom Seismographischen Dienst weiterhin die Bewegungen des Berges vermessen und im Auge behalten.
Keine Angst, aber Kontrolle
Auch die Bewohner des Ortsteiles Ried in Schwaz beobachten den Berg noch immer genau. Angst haben sie keine mehr, versichern sie, „20 Jahre heilen viele Wunden“, berichtete etwa Hans Donau. Trotzdem sind sie dem Eiblschrofen gegenüber immer noch ein wenig skeptisch. Er lasse ihn nicht aus den Augen, erklärte etwa Anrainer Walter Thurnbichler. Alle zwei, drei Tage spaziere er zum Damm hinauf, um nachzusehen, ob Steine abgebrochen seien, auch viele Fotos und Videos mache er von dem Berg.
Keine Angst mehr
Heute können die Anrainer im Ortsteil Ried auch mit einem lachenden Auge auf den Sommer 1999 zurückblicken.
„Man schaut oft hinauf“ erklärte auch Kathi Danzl. Aber sie habe abgeschlossen mit den Vorfällen von damals, sie fühle sich sicher. Die Situation damals habe man nervlich und finanziell überstanden, das sei jetzt Vergangenheit. Und der Eiblschrofen gehört zu Schwaz, zeigten sich die Anrainer einig. Auch wenn er ab und zu wieder lautstark einige Steine fallen lasse – „wir haben uns mit dem Schrofen arrangiert“, lachte Helga Donau.