NS-Regime: Propaganda mit Tirols Schützen

Welche Rolle haben die Tiroler Schützen in der NS-Zeit gespielt? Weil sich in dieser Frage innerhalb der Schützen die Geister scheiden, wurde eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis wurde jetzt präsentiert.

Tirols Schützen sollen in der NS-Zeit verboten gewesen sein und hätten ihre Waffen abgeben müssen, ist aus Schützenkreisen immer wieder zu hören. Das sei ein reiner Mythos, so Historiker Michael Forcher, der im Auftrag der Tiroler Schützen deren Wirken während der NS-Zeit untersucht hat. Die Tiroler Schützen seien wichtiger Teil der NS-Propagandamaschinerie gewesen.

Rasch die Lager gewechselt

Im März 1938 haben die Schützen noch Bundeskanzler Kurt Schuschnigg von der Vaterländischen Front am Bahnhof in Innsbruck empfangen, einen Monat später war es Adolf Hitler, dem sie dort die Ehre erwiesen haben - einige in voller Überzeugung, viele wohl, weil sie mussten. Tatsache ist, dass sich die Tiroler Schützen ebenso rasch den Parolen der Nationalsozialisten verschrieben haben wie die Tiroler Bevölkerung, die mit großer Mehrheit für den „Anschluss“ Österreichs votierten.

Schützen

Aus "Tiroler Schützen in der NS-Zeit"/Forcher

Schützen empfingen im April 1938 Adolf Hitler in Innsbruck

Verboten war nur Teilnahme an Prozessionen

Generell seien die Tiroler Schützen ein Spiegelbild der Gesellschaft gewesen, so Forcher. Es habe dort nicht mehr oder weniger Regimegetreue gegeben als sonst auch. Widerstand hätte vermutlich in vielen Fällen tödliche Folgen gehabt, wie etwa für einen Kommandanten in Sillian, der nicht der Partei beitreten wollte und schließlich im KZ gelandet sei, so Forcher. Deshalb hielt sich wohl auch der Widerstand bei den Schützen in Grenzen. Dass man nicht bei mehr bei Prozessionen ausrücken durfte, sorgte laut Forcher wohl bei einigen für Murren, bei den vielen Parteiveranstaltungen war man aber dann doch dabei.

Forcher, Tiefentaler

ORF

Michael Forcher und Fritz Tiefentaler präsentieren die Untersuchungsergebnisse

Gauleiter wusste Schützenwesen zu nutzen

Die Schützen wurden während des NS-Regimes so unterstützt wie sonst selten, erklärt Historiker Michael Forcher. Vom Verbot der Schützen könne keine Rede sein. Gauleiter Franz Hofer wusste um die Verwurzelung der Traditionsverbände, der Musikkapelle und Brauchtumsgruppen in den Dörfern. Vor allem die Schützen mit ihrer straffen Struktur seien für den Gauleiter wichtige Multiplikatoren für das Regime gewesen, erklärt der Historiker gegenüber ORF Tirol. Für den Gauleiter hatten Schützen „große Bedeutung als Instrument der Menschenführung“, wie er mehrmals im internen Schriftverkehr mit Parteigenossen betonte. Hofer habe die Schützen für seine Zwecke missbraucht, so Forcher.

Gauleiter Hofer

Zeughaus

Gauleiter Franz Hofer wusste die Schützen, Musikkapellen und Trachtenvereine für seine Zwecke zu missbrauchen

Ein wichtiger Prozess für die Schützen

Wenig überrascht, bedrückt und gleichzeitig erleichtert nahm der Landeskommandant der Tiroler Schützen, Fritz Tiefentaler, das Ergebnis der Untersuchungen Forchers auf. Es sei für das Schützenwesen in Tirol von großer Bedeutung, dass zu den Mythen und Erzählungen über die angebliche Rolle der Schützen in der NS-Zeit jetzt Fakten auf dem Tisch liegen. Diese würden belegen, dass jene Zeit ein dunkles Kapitel der Tiroler Schützen darstellen, zu dem man sich bekenne, so Tiefentaler.

Der Landeskommandant wünscht sich jetzt, dass die Untersuchungsergebnisse einen Diskussionsprozess innerhalb der Kompanien auslösen. Man könne nicht die Verantwortung für das damals Geschehene übernehmen, sehr wohl aber dafür, aus dem jetzt erlangten Wissen für die Zukunft zu lernen, so Tiefentaler.

Untersuchungsergebnisse in Buchform

Für die von den Tiroler Schützen in Auftrag gegebene Untersuchung hat der Historiker Michael Forcher Archive, Schützenchroniken und bereits veröffentlichte Arbeiten von Horst Schreiber und Nikolaus Hagen zur Recherche herangezogen. Auf rund 110 Seiten geht er nach einem kurzen Aufriss der Entstehungsgeschichte des Schützenwesens auf deren Rolle während der NS-Zeit ein. Das leicht leserliche Werk ist mit vielen Zitaten und Briefwechseln versehen, die ein klares Bild davon zeichnen, wie das Regime die Schützen missbraucht hat und sich diese auch missbrauchen ließen. Noch im Dezember wird das Buch „Die Tiroler Schützen in der NS-Zeit 1938-1945“ erscheinen.

Stefan Lindner, tirol.ORF.at

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