Tirol bei Natura-2000-Gebieten säumig

Die EU-Kommission hat ein Vertragverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet, weil bisher nicht alle möglichen Natura-2000-Gebiete genannt wurden. Die zuständige Landesrätin Ingrid Felipe (Grüne) sagte am Mittwoch, man werde objektiv prüfen.

Auch Tirol sei säumig, kritisiert der Österreichische Umweltdachverband. In dem Mahnschreiben der EU-Kommission an Österreich heißt es: „Insgesamt betrifft die durch die verfügbaren Informationen belegte Unvollständigkeit des Natura-2000-Netzes mindestens 12 Lebensraumtypen und 29 Arten in der alpinen biogeografischen Region Österreichs sowie 14 Lebensraumtypen und 43 Arten in der kontinentalen biogeografischen Region. Die Belege zeigen daher, dass Österreich nicht alle Gebiete, die die Bedingungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang III der Habitatrichtlinie erfüllen, mitgeteilt hat.“

Tirol könnte in die Bredouille kommen

Im Visier des europäischen Naturschutzes könnten sich für Tirol einige heikle Situationen ergeben. Für manche Gebiete liegen nämlich schon Erschließungsprojekte vor, manche Projekte sind schon genehmigt. Die Kalkkögel stehen nicht auf der Liste, Bereiche des Piz Val Gronda aber schon, genauso wie die Isel und ihre Zubringerflüsse - mehr dazu in Isel wird als Natura 2000-Gebiet nominiert. An der Isel soll ein Kraftwerk entstehen. Auf dem Piz Val Gronda haben die Bauarbeiten für die Bergbahn bereits begonnen - mehr dazu in Piz val Gronda bald „Natura 2000“-Gebiet?.

Ingrid Felipe

ORF

Ingrid Felipe

Felipe: Man wird objektiv prüfen

Die Landesrätin für Umwelt- und Naturschutz, Ingrid Felipe (Grüne), sagte am Mittwochabend in „Tirol heute“, sie freue sich über die Chance, die die EU hier biete. Man nehme das Schreiben sehr ernst und werde klar und objektiv prüfen was schützenswert sei. Zum Piz Val Gronda sagte Felipe, man könne auch bereits bebaute Gebiete als Natura-2000-Gebiet ausweisen, da es auch ein schützenswertes Drumherum gebe.

Rückbau am Piz Val Gronda unwahrscheinlich

Auf die Frage, ob jetzt in solchen Gebieten teilweise zurückgebaut werden muss, sagt der Europarechtsexperte Walter Obwexer, in einem Natura-2000-Gebiet gelte zwar ein grundsätzliches Bauverbot, allerdings könne davon abgewichen werden, wenn geprüft werde, welche Auswirkungen die Baumaßnahmen auf die Erhaltungsziele haben. Wenn die Baumaßnahmen wesentliche negative Auswirkungen auf das Schutzgebiet hätten, dann müsse geprüft werden, ob es wirtschaftliche, kulturelle oder soziale Gründe gebe für den Bau „und wenn diese Voraussetzungen vorliegen, dann darf gebaut werden.“ Im Fall des Piz Val Gronda sehe es noch einmal anders aus, denn die Schutzmaßnahmen würden erst greifen, wenn das Gebiet als Natura-2000-Gebiet gelistet und eingetragen ist.

Heilingbrunner ortet mehrfaches Versäumnis

Dass bisher nicht alle in Frage kommenden Gebiete nach Brüssel genannt wurden, sei ein Versäumnis der Tiroler Politik, kritisiert Gerhard Heilingbrunner, der Präsident des Umweltdachverbandes: „Das Versäumnis der Tiroler Politik ist in mehrfacher Hinsicht sehr groß. Auf der einen Seite hat man durch das Bauvorhaben am Piz Val Gronda meines Erachtens eine illegale Angelegenheit. Man hat der Europäischen Union eine Natura-2000-Watsche gegeben, die jetzt mit voller Wucht wieder zurückkommt. Und auf der anderen Seite ist etwa die Isel mit den Zubringerflüssen unverzüglich als Natura-2000-Gebiet zu nominieren. Aber die Tiroler Politik hat bis jetzt mit verschlossenen Augen geglaubt, durch Betonwände durchgehen zu können. Damit ist jetzt Schluss, jetzt muss gehandelt werden.“ Tirol muss innerhalb von zwei Monaten reagieren, sonst drohen empfindliche Strafen bzw. Klagen vor dem europäischen Gerichtshof.

Die Liste für Tirol

Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria germanica
• Öffentliches Wassergut der Isel und ihrer Zubringer Schwarzach, Tauernbach und Kalserbach
• Nachnominierung für AT3304000 Karwendel

Bergmähwiesen
• Erweiterung des Gebietes AT3301000 Bergmähwiesen südlich des Nationalparks
• Tiroler Bergmähwiesen

Alpine Pionierformationen des Caricion bicoloris-atrofuscae (sandig kiesige Schwemmboden mit Sauergräsern)
• Vorkommen an den Hängen des Piz Val Gronda und in den Alluvionen des Vesilbachtals
• Vorkommen im Fimbertal nördlich von Ischgl an der Grenze zwischen Silvrettaund Samnaungruppe
• Vorkommen in der Samnaungruppe nordwestlich von Pfunds im Bereich der Pfundser Ochsenalpe
• Vorkommen in der Samnaungruppe westlich von Tösens im Oberinntal nördlich des Furgler im hinteren Bödertal.
• Vorkommen in der Samnaungruppe westlich von Serfaus in der Talniederung westlich des Kölnerhauses
• Vorkommen an den süd- bzw. südwestexponierten Abhängen des Venetberges bei Landeck im Oberinntal
• Vorkommen in den Bachalluvionen des Windachtales östlich von Sölden in den Stubaier Alpen
• Vorkommen in den Stubaier Alpen im hinteren Stubaital im Umfeld der Dresdener Hütte
• Vorkommen in den Zillertaler Alpen, im Zamsergrund südsüdöstlich unterhalb vom Olperer
• Vorkommen in den Zillertaler Alpen im Talschluß unterhalb des Schlegeiskeeses
• Vorkommen im Umbaltal (Iseltal) westlich der Ochsner-Hütte
• Vorkommen in Osttirol in der Lasörling-Gruppe süd-südwestlich von Prägraten im Umfeld des Berger Sees
• Vorkommen in Osttirol im Ostteil der Venedigergruppe östlich vom Amertaler See und nördlich vom Nordportal der Felbertauernstraße
• Vorkommen in Osttirol im Tal des Kalserbaches West-Nord-West von Kals am Großglockner
• Vorkommen im Defereggengebirge in einem Seitental des Villgratentales

Coenagrion hylas - Bileks Azurjungfer (Libelle)
• Vorkommen der Art im Oberinntal

Osmoderma eremita – Juchtenkäfer, Eremit (Blatthornkäfer)
• Dölsach-Stribach bei Lienz

Austropotamobius torrentium –Steinkrebs
• Tiroler Lech
• Haldensee

Stephanopachys substriatus – Gekörnter Bergwald Bohrkäfer
• Vorkommen bei Nikolsdorf / Lienz
• Vorkommen bei St. Veit im Defereggental

Lückiges pannonisches Grasland
• Südhänge zum Inntal ober Telfs

Dytiscus latissimus - Breitrandkäfer
• Vorkommen bei Seefeld

Phryganophilus ruficollis - Rothalsiger Düsterkäfer
• Standort bei Hall in Nordtirol

Lycaena helle - Blauschillernder Feuerfalter (Bläuling)
• Standort von Lycaena helle in Tirol

Asplenium adulterinum - Braungrüner Streifenfarn
• Riatsch bei Nauders

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