Italien: Innenminister verbreitet Falschmeldung

Italiens Innenminister Matteo Salvini hat via Facebook eine angebliche Vergewaltigung in einer Südtiroler Flüchtlingsunterkunft verbreitet. Die Meldung erwies sich als Falschmeldung, löste aber rassistische Kommentare aus.

Am Freitag wurde ein Bewohner des Aufnahmezentrums in der Schenoni-Kaserne in Brixen ausfällig. Der 19-Jährige aus Nigeria stand mutmaßlich unter dem Einfluss von Drogen und war äußerst aggressiv. Wilma Huber, die Leiterin der Einrichtung, versuchte ihn in die Schranken zu weisen. Sie kennt den psychisch schwer Angeschlagenen gut, hat ihn bereits öfters zu psychiatrischen Behandlungen begleitet.

aufnahmezentrum Brixen

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Aufnahmezentrum in Brixen: Die ehemalige Schenoni-Kaserne

Tätlicher Übergriff im Aufnahmezentrum

Am Freitag kam sie nicht mit ihm zu Rande, der Mann wurde handgreiflich und drückte sie an die Wand. Wilma Huber ließ die Ordnungskräfte rufen, um sich zu schützen, aber auch um aufzuzeigen, dass es nicht mehr tragbar ist, Personen mit psychischen Problemen in einer Unterkunft ohne Betreuung aufzunehmen.

Wilma Huber

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Zwei Mal Opfer: Wilma Huber, Leiterin des Aufnahmezentrums

Sie wollte nicht viel Aufhebens um den Vorfall. Wilma Huber ist eine besonnene Frau mit viel Erfahrung.

Innenminister auf Facebook: „EKELHAFT!“

Was dann passierte, konnte sie nicht erahnen. Sonntag gegen Mittag postet Italiens Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini auf seiner offiziellen Facebook-Seite: Ein „Asylbewerber“ habe die Leiterin des Aufnahmezentrums, das ihn beherbergte, vergewaltigt. „EKELHAFT!!“, schreibt Salvini in Großbuchstaben. Solche Fälle würden jetzt dank seines Regierungsdekrets sofort ausgewiesen.

Der Facebook-Eintrag des Innenministers löste über 3.000 Kommentare aus, teils mit erschreckend rassistischem Inhalt.

Facebook Salvini

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Seite des Innenministers: Über 3000 Kommentare

Hasspostings gegen das Opfer

Arg angegriffen wurde auch Wilma Huber. Sie wird gewissermaßen zum zweiten Mal zum Opfer. Wilma Huber habe sich das selbst ausgesucht, das habe sie jetzt von ihrem Gutmenschentum: das sind noch die gemäßigsten Reaktionen auf Salvinis Facebook-Seite. Viele andere Kommentare sind dermaßen obszön und menschenverachtend, dass sie hier nicht zitiert werden können. Die Betroffene klinkte sich schließlich selbst in die Diskussion auf den sogenannten sozialen Medien ein, verwehrte sich gegen jeglichen Rassismus und stellte unmissverständlich klar, dass es keine Vergewaltigung gegeben hatte.

Doch das heizte die Hasskommentare gegen sie und den mutmaßlichen Täter noch weiter an. Bezeichnend ist, dass die Kommentare unwidersprochen blieben und nicht gelöscht wurden - auf der offiziellen Facebook-Seite des italienischen Innenministers.

Täter im Gefängnis

Der Täter sebst wurde nach dem Übergriff zuerst ins Krankenhaus eingeliefert, um ihn ruhig zu stellen und dann ins Bozner Gefängnis gebracht. Ihm wird Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen. Sein Pflichtverteidiger sprach am Montag nach der Haftprüfung davon, dass er ein psychologische Gutachten verlangen werde, da sein Mandant sehr angeschlagen wirke.

Fake news salvini

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Aufnahmezentrum Brixen

Wilma Huber, die Leiterin des Aufnahmezentrums, ist bereits wieder auf ihrem Arbeitsplatz. Unerschrocken, aber bestimmt fordert sie, dass es eine professionelle Betreuung für geflüchtete Menschen mit psychischen Problemen geben müsse. In der von ihr geleiteten Einrichtung habe es große Fortschritte bei der Integration der Bewohner gegeben. Die meisten von ihnen würden arbeiten, es gebe kaum Probleme, aber für psychisch instabile Personen sei man nicht gewappnet.

Falschmeldung nicht gelöscht

Weder das Inneministerium noch die Lega in Südtirol, die als wahrscheinlichster Koalitionspartner der Südtiroler Volkspartei in der neuen Landesregierung gilt, haben die Falschmeldung von der angeblichen Vergewaltigung richtiggestellt. Im Internet laufen die rassistischen Postings weiter.

Ute Niederfriniger, tirol.orf.at