Mussolini-Relief in Bozen wird Mahnmal

Dem faschistischen Duce-Relief auf dem Bozner Gerichtsplatz soll die Provokationskraft genommen werden. Am Sonntag wird ein Schriftzug darauf enthüllt, der zu Widerstand gegen Unrecht aufruft. Seit 1943 fordert das totalitäre Werk vom Betrachter nämlich blinden Gehorsam.

95 Tonnen faschistische Progapanda thronen am Gerichtsplatz in Bozen. Auf einem Relief mitten in der Stadt, für alle frei ersichtlich, sitzt Diktator Mussolini hoch zu Ross. Unter ihm prangt der faschistische Leitspruch „Credere, obbedire, combattere" - Glauben, gehorchen, kämpfen“. Das Werk wurde im Jahr 1943 - kurz vor dem Sturz des Duce - angebracht, geschaffen hat es der Südtiroler Künstler Hans Piffrader. Sein Auftrag war es, den Aufstieg des faschistischen Italiens darzustellen. So sind auf dem 200-Quadratmeter-Relief Szenen zu sehen, die die Unterwerfung Abessiniens und Libyens darstellen, genauso wie glorifizierende Darstellungen der italienischen Familie.

Detail aus dem Mussolini-Relief ohne Verhüllung, mit dem Duce hoch zu Ross, darunter der Spruch "credere, obbedire, combattere"

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Diktator Mussolini zu Ehren wurde 1943 in Bozen ein Relief angebracht

Was in anderen demokratischen Ländern undenkbar wäre, hat in Bozen zwar schon immer für Debatten gesorgt, doch letztlich konnte über den Umgang mit dem faschistischen Monumental-Relief jahrelang keine Einigkeit erzielt werden.

Installation wider das Vergessen

Jetzt soll das Relief buchstäblich in neuem Licht erscheinen. Quer über die Travertin-Platten wurde ein Zitat der jüdischen Sozialphilosophin Hannah Arendt angebracht. In noch verhüllten Lettern steht nun „Keiner hat das Recht zu gehorchen“, das Zitat wird am Sonntag enthüllt und dann nachts beleuchtet. Der Schriftzug soll öffentlich sichbtar machen, dass die Zivilgesellschaft über das Unrecht des totalitären Regimes nachgedacht habe, aber die Installation will auch nichts verbergen. „Mit der Umgestaltung soll deutlich gemacht werden, dass blinder Gehorsam nicht als Rechtfertigung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeführt werden kann,“ erklärt Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher.

Gerichtsplatz in Bozen mit verhüllte Installation auf dem Mussolini-Relief

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Eine Installation soll das Piffrader-Relief am Bozner Gerichtsplatz entschärfen

Für den Landeshautpmann ist die vorsichtige Umgestaltung des Werks die Antwort der Demokratie auf die Ideologie des Faschismus. „Es gab ja eine lange Diskussion, wie man mit dieser Provokation umgehen soll. Ich finde es richtig, das Relief stehen zu lassen, mit dem Schriftzug wird es vom Denkmal zum Mahnmal. Wir wollen ja aus der Geschichte lernen, also müssen wir uns auch an die Gräueltaten von Faschismus und Nationalsozialismus erinnern.“ Das Relief solle deshalb gerade nicht, wie einmal angedacht, mit einer Milchglasscheibe abgedeckt werden. „Das Relief kann so als ständige Aufforderung gelesen werden, Demokratie und Menschlichkeit zu verteidigen.“

Südtirols Landeshauptmann Kompatscher studiert Entwürfe zur Umgestaltung des Reliefs

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Südtirols Landeshauptmann Kompatscher begrüßt die Umgestaltung

Kritik von deutscher und italienischer Rechter

Skandalös für eine Demokratie findet hingegen Eva Klotz, langjährige Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, den Umgang mit dem Piffrader-Relief. Die Umgestaltung sei bloß ein kosmetischer Eingriff, wenn schon, hätte sie das Bert Brecht zugeschrieben Zitat „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ passend gefunden. Klotz schwebt aber ohnedies die Errichtung eines zeitgeschichtlichen Musuems in der Franzensfeste vor, dorthin solle das Relief übersiedelt werden.

Auch Alessandro Urzì, Landtagsabgeordneter der italienischen Rechtspartei L’Alto Adige nel cuore, kritisiert die Installation. Wie Klotz betont er, dass das Mussolini-Relief durch die Umgestaltung zu großer Aufmerksamkeit gekommen sei. Für ihn hätte eine erklärende Tafel neben dem Monument als Historisierung genügt.

Auch Bozner Siegesdenkmal historisiert

Bozner Siegesdenkmal mit Leuchtring

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Das Siegesdenkmal in Bozen trägt seit 2014 einen Leuchtring

Bozen erprobt mit der vorsichtigen Umgestaltung des Mussolini-Reliefs zum zweiten Mal die Entschärfung monumentaler faschistischer Werke, die stets im Spannungsfeld von Entfernung, Aufarbeitung und Zerstörung stehen.

Eine Transformation hat 2014 nämlich auch das Bozner Siegesdenkmal erfahren. Das faschistische Monument am Siegesplatz trägt seither einen Leuchtring, der auf das damals eingerichtete zeitgeschichtliche Museum in der Krypta verweist. Die Ausstellung unterhalb des Siegesdenkmals beschäftigt sich mit der Stadt Bozen zwischen 1918 und 1945 und den Auswirkungen von Faschismus und Nationalsozialismus auf die Region.