Ein Leben mit Smartphone und Plastiksack
Rund 350 Menschen können in den beiden Zelten unterkommen, allerdings nicht im Winter. Eines bietet 200 Plätze für Asylwerber. Männer unter anderem aus Afghanistan, Irak, Syrien, Somalia und Jordanien warten dort auf Zuweisung in fixe Dauerquartiere. Angesichts der Bett-an-Bett-Situation, die keine Privatsphäre erlaubt, ist die Atmosphäre überraschend friedlich, berichtet Peter Mader, Referent für Gesundheit und Soziale Dienste beim Roten Kreuz, das beide Zelte betreut.
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Infrastruktur für aktuelle Fluchtroute
Das zweite Zelt ist als eine Art Raststation für Menschen auf der Flucht konzipiert. 150 Feldbetten stehen übereinander gestapelt an der Wand, für jeden Ankömmling gibt es ein Hygiene-Set mit Handtuch, Seife und Zahnbürste sowie eine Decke samt Leintuch. Dieses Zelt wird oft für eine Nacht von Familien benützt, manchmal auch nur für Stunden. Rasten, essen, duschen, dann ziehen viele weiter. „Wenn gegen fünf Uhr nachmittags 80 Menschen ankommen, sind um 22.00 40 Uhr sicher schon wieder weg“, erzählten die Rot-Kreuz-Mitarbeiter. „Besonders bedrückend ist“, sagt Peter Mader, „wenn Eltern und kleine Kinder in der Dunkelheit aufbrechen und sich zu Fuß nach Deutschland durchschlagen.“
Kontakt:
Notquartier Kufstein Rotes Kreuz, Tel. 0664/ 80 144 810
- fgg1@kufstein.t.roteskreuz.at
- Homepage Team Österreich
Die caritative Seite des Wohlstands
Mehrmals wöchentlich werden Kleider ausgegeben. Dann stehen die Männer, an den Füßen oft nur Flip-Flops, Schlange um Schuhe und Jacken. Abwechselnd ruft die Rot-Kreuz-Mitarbeiterin die verschiedenen Nationen auf, um Streit zu vermeiden: „Is there somebody from Afghanistan? No? From Syria? Somalia is next!“ In der Kleiderausgabe klärt sich das Vorurteil auf, Flüchtlinge könnten sich Markenkleidung leisten – die teuren Salomon-Schuhe, Lacoste-Pullover und Adidas-Jacken sind Spenden aus dem Kleidersack.
Das Handy: unbezahlbares Privatvermögen
Mehrere Dolmetscher arbeiten auf dem Gelände, auf dem Duschcontainer und ein Verpflegungszelt aufgestellt sind. Sprachprobleme werden aber auch mittels Übersetzungsprogramm auf dem Handy gelöst.
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Das Smartphone ist für die Menschen hier doppelt wichtig, als einziger Kontakt nach Hause und als Dokument ihres Lebens bis zur Flucht. Die Fotos von Kindern, Ehefrauen, vom Alltag und vom Job sind alles, was von der eigenen Biografie in das neue unsichere Leben herübergerettet werden konnte. „Wenn sie das auch noch verlieren“, erzählt Mader, „wäre das furchtbar für sie“.
Was in den Kufsteiner Zeltquartieren abgeht, ist eine Tagesstruktur für die Bewohner. Die meisten wissen nicht, wann sie in ein fixes Quartier kommen, wo dieses liegen wird und wann sie zu ihrem Asylantrag befragt werden. Freiwillige, die Deutsch unterrichten, sind beim Roten Kreuz willkommen.
ulrike finkenstedt, tirol.ORF.at