Regierung macht Tempo 100 auf Autobahn fix

Die schwarz-grüne Koalition hat am Dienstag ein Paket mit zwei Schwerpunkten beschlossen: Tempo 100 auf Autobahnen und den Ausbau der Wasserkraft. Tempo 100 gilt ab Herbst, kraftwerksfreie Zonen am Inn bedeuten das Aus für das Projekt in Pettnau. Die IKB fühlen sich überrumpelt.

Tempo 100 tritt im Herbst 2014 in Kraft. Es gilt dann auf der Inntalautobahn (A12) zwischen Kufstein und Zirl, zwischen Karrösten und Zams und auf der Brennerautobahn (A13) zwischen Innsbruck und Schönberg. Die Koalitionsparteien ÖVP und Grüne begründen die Einführung mit der hohen Schadstoffbelastung.

Ingrid Felipe und Günther Platter bei Präsentation von Tempo 100

ORF

Ingrid Felipe und Günther Platter begründen Tempo 100

Die Tempobeschränkung wird vorerst befristet für ein Jahr eingeführt. „Wir werden uns ganz genau anschauen, wie der Effekt ist, ob tatsächlich die Schadstoffreduktion eintreten wird“, sagte Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) bei der Pressekonferenz nach der Regierungssitzung. Der Landeshauptmann, der bisher heftiger Gegner von Tempo 100 war, argumentierte seinen Meinungsschwenk mit der Gesundheitsgefährdung der Tiroler. Ärzte hätten den politisch Verantwortlichen mitgeteilt, dass etwas unternommen werden müsse. Zudem habe man sich auch durch Gutachten abgesichert.

„Es ist uns gelungen, ein Paket für die Luftgüte in Tirol zu schnüren, das die größte Entlastung für die Tiroler Luft seit dem EU-Beitritt darstellen wird“, sagte Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne).

Junktim mit Schwerpunkten in der Wasserkraft

Der Beschluss zur Tempobeschränkung geht Hand in Hand mit einer Schwerpunktsetzung bei der Wasserkraft. „Mit dabei ist natürlich das Projekt im Kaunertal, Imst-Haiming und Prutz-Imst“, sagte der Landeshauptmann. „Wir haben auch Tabustrecken definiert, und diese sind von Haiming nach Kirchbichl vorgesehen“, erklärte Platter. Diese Strecke werde kraftwerksfrei bleiben.

Umstrittenes Inn-Kraftwerk kommt nicht

Das bedeutet - wie Platter auf Nachfrage bestätigte - auch das Aus für das geplante Innkraftwerk bei Pettnau. Um das geplante Regionalkraftwerk Mittlerer Inn (RMI) liefern sich seit Jahren Befürworter und Gegner erbitterte Kämpfe - mehr dazu in Weiter Protest gegen IKB-Kraftwerk am Inn. Erst im Frühjahr 2014 war es zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht worden - Kraftwerk Mittlerer Inn: UVP eingereicht. Jetzt ist das Projekt politisch beendet.

Felipe, die grüne Landesrätin für Umweltschutz, führte weiters aus, es sei neben Tempo 100 im Sinne des Klimaschutzes auch gelungen, die Erhaltung und Realisierung von ökologisch vertretbarer Wasserkraftnutzung zu ermöglichen und die besonders schützenswerten Gewässer in Tirol unbenützt zu lassen.

IKB fühlt sich von Landesregierung überrumpelt

Die Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB) halten unterdessen an ihren Plänen für ein Kraftwerk bei Pettnau fest. IKB-Chef Harald Schneider betonte am Dienstag in einer Aussendung, man sei „äußerst verwundert“, „dass wir über die Schritte der Regierung weder informiert noch zu Gesprächen eingeladen worden sind. Die IKB wird jedenfalls am UVP-Verfahren für das RMI festhalten, da der Inn hohes Potenzial für den Ausbau von Wasserkraft besitzt“, erklärte der Vorstandsvorsitzende.

Erst 100er, dann sektorales Lkw-Fahrverbot

Im Gegenzug für die 100 km/h-Beschränkung kann Tirol das sektorale Fahrverbot für Lkws mit bestimmten Gütern wieder einführen. Dieses tritt nach dem Regierungsbeschluss vom Dienstag genau ein Jahr nach dem 100er, im Herbst 2015, in Kraft.

Sendungshinweis:

Landesrätin Ingrid Felipe ist heute in „Hallo Tirol“,13.00 Uhr, und in „Tirol heute“, 19.00 Uhr, ORF2, zu Gast.

Das sektorale Fahrverbot hatte der Europäische Gerichtshof 2011 mangels anderer von Tirol angebotener Alternativen gekippt. Als Teil drei des Tiroler Verkehrspakets sollen Fahrverbote für Lkws bestimmter niedrigerer Euroklassen verschärft werden, für höhere Euroklassen, also schadstoffärmere Lkws, soll es ein Förderprogramm geben.

platter felipe bei pk

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Großes Medieninteresse bei der Pressekonferenz

Tempo 100 war und ist in Tirol unter Befürwortern und Gegnern heftig umstritten. Bis zu 130 km/h darf man künftig noch zwischen Zirl und Imst sowie zwischen Schönberg und Brenner fahren.

Transitforum fordert Gesamtpaket

Die ersten Reaktionen auf die Einigung der Koalition ließen unterdessen nicht lange auf sich warten. Transitforum-Austria-Chef Fritz Gurgiser mahnte in einer Aussendung ein auf Schadstoffreduktion ausgerichtetes „Gesamtpaket“ sein, wo zusätzlich zur Gesundheitssituation auch der Verkehrssicherheit mit einem Lkw-Tempolimit auf 60 oder 70 km/h Rechnung getragen werden müsse.

Die FPÖ nannte den „100er“ einen „Kniefall der ÖVP vor den Grünen“. Man lade „alle - wenn auch nur mehr rudimentär - vernünftigen Kräfte in der ÖVP ein, zukünftig den Weg mit uns zu gehen“.

Einen „Kuhhandel“ ortet die Liste Fritz in dem Doppelpaket. Dieser offenbare das Ausmaß an politischer Mauschelei, bei der die Landesregierung Themen miteinander verknüpfe, die nichts miteinander zu tun hätten, so Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider in einer Reaktion. "Die Zeche für dieses faule und erbärmliche Polit-Geschäft zahlen voll die betroffenen Bürger: Ein generelles Tempolimit von 100 Kilometer pro Stunde auf der Inntalautobahn trifft tausende Tiroler Autofahrer jeden Tag. Der ´beschleunigte Ausbau der Wasserkraft` trifft die Bürger im Kaunertal und in anderen Regionen, wo Landesregierung bzw. TIWAG Großkraftwerke errichten wollen“, so Haselwanter-Schneider.

Der Wirtschaftsbund ist über die Wasserkraftentscheidung erfreut. Von der Vergabe von Großaufträgen der öffentlichen Hand, z. B. dem Bau von Speicheranlagen und Kraftwerken, würden auch die heimischen mittelständischen Unternehmen profitieren, sagte Obmann Jürgen Bodenseer in einer Aussendung. Zu Tempo 100 äußerte sich der Wirtschaftsbundobmann und Wirtschaftskammerpräsident nicht.

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Felipe: „Im Kaunertal nicht den Verfahren vorgreifen“

Im Tirol heute Studio verteidigte Ingrid Felipe die unpopuläre Maßnahme Tempo 100. Die Verbesserung der Luftgüte sei keine Glaubensfrage, sondern Ergebnis unabhängiger Gutachten. Auch die Lärmbelästigung werde sinken. Von der EU sei außerdem in Aussicht gestellt worden, dass das sektorale Fahrverbot bei Tempo 100 leichter durchgehe, so die Umweltlandesrätin. Die grüne Zustimmung zum Ausbau der Wasserkraft sei keine Niederlage, vielmehr seien die kraftwerksfreien Inn-Strecken als Erfolg zu werten. Zum Ausbau des Kraftwerks Kaunertal gebe es jetzt aber kein klares „Ja“, weil zuerst die Verfahren abzuwarten seien.

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