Südtirol testet Rettung auf zwei Rädern

Bei einem Unfall auf der Autobahn oder auf einer Passstraße kommt in Südtirol seit kurzem auch eine Motorradstaffel zum Rettungseinsatz. Die Zweiräder sind flexibler als Ambulanzwagen und werden zwei Jahre getestet.

Einsatz für die Rettungssanitäter auf dem Motorrad: Eine Frau hat eine Panikattacke, irgendwo in einer Wiese im Etschtal. Über enge Wege gelangen die Helfer auf zwei Rädern schnell zum Einsatzort und können Erste Hilfe leisten. „Die Landesnotrufzentrale weiß oft nicht genau, wo der Patient ist. Wir können uns aufteilen und flexibel suchen, ein klassischer Rettungswagen hätte Probleme bei so einem Einsatz“, berichtet Sanitäter Simon Pöder vom Weißen Kreuz Bozen, der zu den ersten Mitgliedern der Motorrad-Rettungsstaffel in Südtirol zählt.

Zwei Motorradsanitäter sind auf einer Landstraße unterwegs, von vorn gefilmt, einer weiter hinten

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Ersthelfer sind auf Motorrädern flexibler und schneller als Ambulanzwagen

In diesem Fall ist der Notfall nicht echt. Aber oft genug kommt die Rettung erst spät zum Patienten, weil der Einsatzort nicht genau bekannt oder schwer erreichbar ist, oder weil die Rettungswagen im Stau nicht weiterkommen.

Zwei Motorradsanitäter sprechen mit einer Patientin, die am Boden einer Wiese sitzt (Szene gestellt)

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Die Motorrad-Sanitäter machen sich als erste ein Bild von der Lage (Szene gestellt)

Kein Durchkommen für Ambulanzwagen

Gerade auf der Brennerautobahn ergeben sich immer wieder brenzlige Situationen: „Die deutschen und österreichischen Autofahrer bilden die Rettungsgasse, die Italiener weichen auf den Pannenstreifen aus. Da ist das Chaos perfekt. Wir müssen uns im Zick-Zack-Kurs durch die Autos schlängeln“, berichtet Simon Pöder. Für Rettungsfahrer ist das ein Horror. Bei einem Unfall im Sommer 2017 konnte zum Beispiel von fünf Einsatzfahrzeugen nur eines rechtzeitig den Einsatzort erreichen.

Sanitäter auf dem Motorrad

Für Rettungsambulanzen gibt es bei Stau oft kein Durchkommen, die Ersthelfer auf zwei Rädern kommen schneller ans Ziel.

Pilotprojekt für zwei Jahre

Seit dem Wochenende ist in Südtirol deshalb die neue Motorradstaffel des Weißen Kreuzes unterwegs. Es war der Startschuss für ein zweijähriges Pilotprojekt nach Augsburger Vorbild, das den Rettungseinsatz in schwer zugänglichen Notfallorten erleichtern soll. Auf der Brennerautobahn und auf den Passstraßen sind die Motorräder flink und flexibel, Stau und unwegsames Gelände sind für ein Motorrad leichter zu bewältigen als für ein herkömmliches Rettungsfahrzeug.

Derzeit sind zwei Maschinen als Rettungsmotorrad ausgerüstet, die immer im Konvoi fahren. Interessenten für die Motorradstaffel gibt es unter den 4.000 Mitarbeitern und Freiwilligen des Weißen Kreuzes in Südtirol genug. Noch sind 15 mit dem Motorrad unterwegs, weitere 50 Anwärter haben sich gemeldet. Sie müssen Erfahrung auf dem Motorrad und in Rettungseinsätzen mitbringen.

Ein Sanitäter des Weißen Kreuzes mit gelber Warnweste unterwegs auf dem Motorrad

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Derzeit gibt es in Südtirol 15 Motorradsanitäter und 50 Anwärter

Vorhut für die Rettungsmannschaften

Auf der Autobahn düsen die Sanitäter vom Brenner bis San Michele im Trentino, auch um als Vorhut die Notrufzentrale über den Unfallort fachgerecht zu informieren oder um effizient Platz für den Rettungshubschrauber zu schaffen. Im Notfall ist Zeit der entscheidende Faktor. „Bei einem Herzkreislaufzusammenbruch sinkt mit jeder verlorenen Minute die Überlebenschance um zehn Prozent,“ weiß Stefan Viehweider, Motorradsanitäter vom Weißen Kreuz Bozen.

Per Motorrad abtransportiert wird übrigens niemand. Notarzt gibt es auch keinen in der Truppe, die Sanitäter leisten auschließlich allererste Hilfe. Wenn sie abseits eines Einsatzes irgendwo Halt machen, gibt es viel Zuspruch aus der Bevölkerung, erzählt Vieweider: „Die Leute laden einen immer auf einen Kaffee ein, sie sehen unseren Dienst als Mehrwert.“