Gendefekt, der sich vor Ärzten versteckt

NF1 ist eine Krankheit mit so unterschiedlichen Symptomen, dass Ärzte die seltene Krankheit schwer deuten können. Betroffene erhalten die richtige Diagnose erst als Erwachsene oder leben ohne angemessene Behandlung - z.B. Stefan K. aus Imst.

Neurofibromatose Typ 1 (NF1) ist ein Gendefekt, der unter anderem Tumore an Nerven entstehen lässt. Oft, aber nicht immer bilden sich Cafe-au-lait-Flecken oder Knötchen (Neurofibrome) an der Haut. Neben Schmerzen, Lernstörungen oder Knochenfehlbildungen können Tumore in allen Körperregionen entstehen. Zu unterscheiden ist NF1 von NF2, einer sehr viel seltener auftretenden Tumorbildung im Hör- und Gesichtsbereich.

NF1 Patient mit seiner Mutter

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Trotz Blindheit selbständig leben: Stefan K. mit seiner Mutter

NF1:

Am 17. Mai ist internationaler NF-Tag. Gebäude und Sehenswürdigkeiten werden in grün und blau, den Farben der NF-Organisation, beleuchtet.

Bei Stefan K. wurde die Krankheit kurz nach der Geburt diagnostiziert. An einem Bein fehlen Schien- und Wadenbein, mit sechs Wochen hatte er einen Tumor an der Nebenniere. Ein weiterer Tumor entwickeltes sich auf dem Sehnerv, mit 13 Jahren verlor er das Sehvermögen bis auf fünf bis zehn Prozent. Stefan K. lebt abwechselnd bei seiner Mutter und in einem Wohnhaus der Tiroler Lebenshilfe, er muss aufgrund jederzeit möglicher epileptischer Anfälle rund um die Uhr betreut werden.

2017 wurde ein Tumor im Gehirn entdeckt, Chemotherapie und Bestrahlung folgten. Zwar wurde die Krankheit NF1 bei Stefan K. bereits im Säuglingsalter diagnostiziert, aber dass es in Bayern eine Spezialklinik für NF-Kinder gibt, war seinen Behandlern nicht bekannt. Bis die Familie durch Zufall auf diese Einrichtung stieß, konnte sich Stefan nur durch Robben am Boden fortbewegen. Als er in der Spezialklinik schließlich gehen lernte, war er schon fast vier Jahre alt.

NF1 Patient mit seiner Mutter

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Gehen lernen mit vier Jahren: in der bayerischen Einrichtung öffnete sich Stefan K. eine neue Welt

Uni-Institut liefert Diagnosen für ganz Österreich

Das Problem der späten richtigen Diagnose kennt man in der Sektion für Humangenetik der Med Uni Innsbruck. Hier werden pro Jahr rund 4.000 Blutproben aus ganz Österreich molekulargenetisch untersucht, um die Genveränderung von NF1 aufzuspüren. Laut der Leiterin der Onkogenetik, Katharina Wimmer, haben nur wenige Labore weltweit so hohe Mutationsauffindungsraten wie die Sektion in Innsbruck. Durch bildgebende Verfahren wird in der DNA jener Gen-Abschnitt gesucht, der verändert ist. Als Problem für die Diagnose erweist sich dabei, dass sich das Gen in manchen Fällen „regelrecht versteckt“, so Wimmer, und schwer zu finden ist.

bildliche Darstellung eines Genabschnitts

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Wissenschafter suchen die minimale Genabweichung

Da die Wahrscheinlichkeit, einen Patienten mit NF1 zu Gesicht zu bekommen, eher niedrig ist - nur rund 3.000 bis 4.000 Menschen in Österreich weisen diesen Gendefekt auf - würden niedergelassene Ärzte nicht an diese Krankheit denken, wenn sie die teils uneindeutigen Symptome sehen, so Wimmer.

Division für Humangenetik der Med Uni Innsbruck

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Sektion für Humangenetik der Medizinischen Universität Innsbruck

Im Gespräch mit dem ORF schilderte sie einen Fall: Im Zuge der Entfernung eines Tumors bei einem Kind wurden auch die Eltern untersucht. Dabei stieß man beim Vater auf ein für die Krankheit typisches Neurofibrom (gutartiger Tumor unter der Haut in Form eines Knotens) und die charakteristischen Café-au-lait-Flecken; er wusste bis dahin nichts von seiner Erkrankung. „Wichtig wäre eine frühzeitige Diagnose, da sich NF1 manchmal bösartig entwickeln kann. Regelmäßige Kontrollen sind hier notwendig, um nichts zu übersehen“, so Wimmer.

Wenig bekannte Krankheit, kaum beachtete Kranke

Auch die Mutter von Stefan K. leidet an NF1, auch bei ihr kam die richtige Diagnose erst, als Franziska K. eine junge Erwachsene war. Im Unterschied zu ihrem Sohn nimmt die Krankheit bei ihr keinen schweren Verlauf, sie leidet vor allem psychisch unter den vielen kleinen Knötchen am ganzen Körper. Durch Laser ließen sich diese z.B. im Gesicht entfernen, was Franziska K. wohltuende Erleichterung verschaffte. Frau K. engagiert sich für mehr Publizität dieser seltenen Krankheit, denn wie schwerwiegend sie ausfallen kann, wurde ihr selbst erst angesichts des schweren Verlaufs bei ihrem Sohn bewusst.

Neurofibrome am Bein

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Mittels Laser lassen sich die Knötchen entfernen

An der Innsbrucker Sektion für Humangenetik gibt es eine Sprechstunde mit Hautfachärzten und Humangenetikern, die Patienten umfassend über die Facetten der Krankheit informieren und die Neurofibrome adäquat behandeln. Das Portal „NF-Kinder“ versteht sich im Unterschied zum Namen als Anlaufstelle nicht nur für Kinder, sondern als Plattform für alle Betroffenen.

Ulrike Finkenstedt, tirol.ORF.at

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