Wenn kleine Pilze große Bäume fällen

In Tirol nimmt das Eschensterben zu: Auf einer Fläche von 142 Hektar gebe es geschädigte Bäume, so die Landesforstdirektion. Schuld daran ist das „Falsche Weiße Stängelbecherchen“, eine Pilzart. Nun sind pilzresistente Eschen gefragt.

Welke Blätter, tote Rinde und verfärbtes Holz säumten letzten März die Wildbichler Straße B 175 am Ortsende von Kufstein: Rund 40 vom Pilz befallene, junge Eschen drohten auf die Fahrbahn bzw. den Gehweg zu fallen und mussten aus Haftungsgründen umgeschnitten werden. Gesunde Bäume sind hier kaum mehr zu finden. Ähnlich stellt sich die Situation auch in anderen Tiroler Bezirken dar: etwa in Schwaz, wo Eschen an der Autobahn zwischen Schwaz und Jenbach beseitigt werden mussten, sowie in Kitzbühel, Reutte, Imst und Landeck. Insgesamt wurden tirolweit bisher 142 Hektar geschädigte Eschen erfasst, rund 13 Prozent davon sind stark befallen, erklärt Christian Schwaninger von der Abteilung für Waldschutz in Innsbruck.

Kranke Esche am Straßenrand

Bezirksforstinspektion Kufstein

Kranke Esche nahe einer Straße im Bezirk Kufstein

Ein asiatischer „Tourist“

Auslöser für den Schaden ist das „Falsche Weiße Stängelbecherchen“, ein kleiner Pilz, der seit 1992 in Europa immer mehr Eschen infiziert. In Österreich wurde er laut dem Wiener Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) erstmals 2007 nachgewiesen, in Tirol 2011. Ursprünglich stammt der Pilz aus Asien und befällt dort Mandschurische Eschen, die aber kaum Krankheitssymptome aufweisen – im Gegensatz zu unserer Gemeinen Esche (Fraxinus excelsior). Diese hatte anders als die asiatische Art keine Gelegenheit, sich an den Erreger anzupassen und ist ihm ohne Abwehrmechanismen ausgeliefert.

Weißes Stängelbecherchen

Thomas Kirisits / BOKU

Schuld am Baumschaden: Das Falsche Weiße Stängelbecherchen

Wie David gegen Goliath

Der Befall gleicht normalerweise einem Kampf zwischen David und Goliath: Die winzigen Pilzsporen landen mit dem Wind in der Krone einer bis zu 20 Meter großen Esche, infizieren ihre Blätter und dringen in Triebe bzw. Äste vor. Die Baumkrone stirbt ab, Stammrinde und Holz folgen. Auch die Wurzeln des geschwächten Baums können von zusätzlichen Pilzarten befallen werden. Die Eschen versuchen durch neue Knospen dagegen anzukämpfen, meist ohne Erfolg. In wenigen Jahren kann der Baum komplett absterben. Fallen die infizierten Blätter zu Boden, entwickeln sich darauf neue Pilzkörper, die wiederum Sporen freisetzen und die Eschen in der Umgebung befallen. Der Kreislauf beginnt von vorn.

Stamm befallen mit Pilz

Bundesforschungszentrum für Wald

Auch Wurzeln und Stammbasis können durch den Pilzbefall geschädigt werden

Schaden und Gefahren

Morsche Eschen am Straßenrand stellen eine Gefahr für Passanten und Verkehr dar. In Kufstein habe man die toten Bäume daher schnell entfernt, nicht zuletzt um Haftungsproblemen vorzubeugen, erklärt Hans-Peter Schroll von der Forstinspektion Kufstein. Denn für etwaige Unfälle haften in diesem Fall die Grundeigentümer.

Vor allem bedeutet das Eschensterben aber den Verlust einer weiteren Mischwaldart in Tirol, nachdem schon die Ulmenbestände krankheitsbedingt stark abgenommen haben. Das habe nicht nur negative Effekte auf die Waldbodenstreu, heißt es in den Bezirksforstinspektionen, sondern auch auf die Waldstabilität bei Wind- oder Schneeereignissen. Zudem ist das harte, aber biegsame Holz der Esche auch bei Tischlern, Boden- und Werkzeugherstellern beliebt. Ökonomische Schäden durch einen Ausfall der Esche sind in dieser Hinsicht in Tirol allerdings nicht zu erwarten. Dafür macht die Esche einen zu geringen Anteil aus - anders als etwa in Ostösterreich. Ökologisch würde die Baumart hingegen ein großes Loch hinterlassen: Viele Pflanzen und Tiere seien mit ihr vergesellschaftet, heißt es beim BFW.

Projekt „Esche in Not“ als Gegenmaßnahme

Ein Mittel gegen den Pilz zu entwickeln gestaltet sich aufgrund der widerstandsfähigen Sporen schwierig. Daher setzen die Forscher beim Bundesforschungszentrum für Wald in Wien auf natürlich resistente Bäume. Österreichweit, auch in Tirol, wird nach Eschen gesucht, die trotz infizierter Bäume in der Nachbarschaft gesund scheinen.

Gesunde und kranke Eschen

Bundesforschungszentrum für Wald / Gregor Unger

Gesunde und kranke Eschen innerhalb einer Baumgruppe

Dabei zählt man auch auf Hinweise aus den diversen Forstinstituten und der Bevölkerung (waldschutz@tirol.gv.at). Über die Samen bzw. Nachkommen dieser Bäume und genetische Analysen wird festgestellt, ob die Bäume wirklich resistent sind. Trifft das zu, werden aus den resistenten Exemplaren Nachkommen gezüchtet, denen der Pilz nichts mehr anhaben kann.

Auf diese Weise will man die Baumart erhalten. Auch in Tirol setzt man Hoffnung in diese Maßnahme.

Julia Ecker; tirol.ORF.at