DOWAS: Politik ignoriert massive Wohnungsnot

Der Verein DOWAS kritisiert eine Passivität der Landespolitik zur Bekämpfung der Wohnungsnot. Zur Existenzsicherung reiche oft ein Arbeitseinkommen nicht mehr aus, immer öfter seien wohnungslose Familien unter den Klienten des Vereins.

2.300 Menschen wandten sich im Jahr 2015 an die Sozialberatungsstelle DOWAS, die Erwachsene und Jugendliche bei der Existenzsicherung unterstützt. Etwa 1.200 Menschen hatten beim ersten Kontakt keine Wohnung, die jüngsten waren 14 Jahre alt, die ältesten über 70. Rund 200 Männer und Frauen wurden im Jahr 2015 in den Wohneinrichtungen des DOWAS aufgenommen.

Auffallend sei der kontinuierliche Anstieg von Familien unter den Klienten. Zu viert auf 24 Quadratmetern sei keine Seltenheit, so Helmut Kunwald, Obmann des DOWAS, oft seien Familien auch auf die Verwandtschaft aufgeteilt. Jede neuerliche Übersiedelung strapaziere das Familiensystem und bedeute neben den Kosten auch Schul- und Kindergartenwechsel für die Kinder. Im Jahr 2015 wandten sich 174 Familien mit insgesamt 450 Kindern an das DOWAS.

DOWAS: „Politik fördert Reichtum“

Anlässlich der 40-Jahres-Feier übte das DOWAS am Donnerstag Kritik an den politisch Verantwortlichen, die zu wenig Beitrag zur Wohnversorgung leisteten und diese dem freien Markt überließen. Die Tiroler Wohnbaupolitik sei seit Jahrzehnten an der Förderung von Eigentum orientiert. Dabei würden die Mittel zur Wohnbauförderung zunehmend zu einem Beitrag der öffentlichen Hand zur privaten Vermögensbildung.

Wartelisten für Gemeindewohnungen seien lang. Nur vier Prozent der Mieter und Mieterinnen in Tirol hätten eine Gemeindewohnung, nur etwa neun Prozent eine Genossenschaftswohnung.

Sonderbeispiel Innsbruck

In Innsbruck verschärften die neuen Vergaberichtlinien die Situation für Bedürftige: Um für eine Stadtwohnung infrage zu kommen, müssen Männer und Frauen jetzt fünf statt drei Jahre in der Stadt gemeldet sein. Außerdem würde geringes Einkommen im Punktesystem der Stadtwohnungen unterbewertet. Der Notstandshilfebezug werde mit zehn Punkten gerechnet, die Mitgliedschaft im Schützenverein bringe sechs Punkte.

Das DOWAS erneuert seine Kritik an den bestehenden Mietobergrenzen: Wer Mindestsicherung beziehen will, dessen Wohnung darf eine von der Stadt festgelegte Obergrenze nicht übersteigen. Ist die Miete zu hoch, gibt es keine Mindestsicherung. Das DOWAS hat bei einer Analyse des Innsbrucker Wohnungsmarktes festgestellt, dass nur ein Bruchteil der angebotenen Wohnungen dieses Kriterium erfüllt. Bei Garconnieren liegen etwa 23 Prozent, bei Zwei-Zimmer-Wohnungen etwa 25 Prozent, bei Drei-Zimmer-Wohnungen nur zehn Prozent der Angebote innerhalb der „erlaubten“ Miethöhe, die Mehrheit der Wohnungen ist – für den Bezug von Mindestsicherung – zu teuer.

Hohe Mieten verschlingen niedrige Einkommen

Da die Politik die Wohnungsversorgung in den vergangenen Jahren zu wenig wahrgenommen habe, seien viele Wohnungen mittlerweile auch für Menschen mit einem mittleren Erwerbseinkommen unerreichbar. Wenn der Wohnkostenanteil ein Viertel des Einkommens nicht übersteigen sollte, dann müsste man, um z.B. in Innsbruck eine Garconniere zu mieten, das Haushaltseinkommen bei 2.400 Euro netto liegen. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 50 Qudaratmetern würde ein Haushaltseinkommen von 3.640 Euro erfordern, wenn der 25-Prozent-Anteil Wohnkosten am Haushaltseinkommen nicht überschritten werden soll, so das DOWAS. Diese Einkommensverhältnisse seien in Tirol bei weitem nicht gegeben.

Nebenkosten lassen Anmietungen scheitern

Besonderes Augenmerk legt das DOWAS auf die Kosten für die Anmietung einer Wohnung. Am Beispiel einer Garconniere mit einer Miete von 560 Euro kommt der Verein auf Kosten in der Höhe von 4.200 Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus einer Doppelmiete (alte Wohnung auflösen, neue beziehen), der Maklerprovision (ca. 1.200 Euro), drei Monatsmieten Kaution (1.680 Euro) und der Mietvertragsvergebührung (200 Euro). Vertragserrichtungsgebühren seien nicht dazugerechnet.

Mit der Wohnproblematik Hand in Hand gehe das Problem der Existenzsicherung durch Arbeit, so Helmut Kunwald, Obmann des DOWAS. Wer eine prekäre Wohnsituation habe, könne nicht eine neue Arbeit antreten und sich auf den Job konzentrieren. Wohnen sei damit die Grundlage der Existenz.