Wenig Honig - weil die Läuse fehlten
„Heuer hat der Wald nicht gehonigt,“ hört man zahlreiche Imker in ganz Österreich stöhnen. Auch in Tirol - vor allem in der Inntalfurche - fällt die Honigernte mager aus. Statt 20 bis 25 Kilogramm pro Volk werden heuer nur zehn Kilo und weniger geerntet. „Teilweise verzichten die Imker sogar aufs Schleudern, weil es sich nicht rentiert“, schildert Andreas Hölzl, Obmann des Bienenzuchtvereins Wattens/Fritzens, die Situation. Grund für die Ausfälle sind eine durchwachsene Blütentracht und in erster Linie das Fehlen des Waldhonigs.

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Andreas Hölzl und Martin Ennemoser sehen schon nach wenigen Waben, dass die Honigernte mager ausfallen wird
Damit der Wald honigt, braucht es Läuse
Für den Blütenhonig sammeln die Bienen Nektar auf den Blumenwiesen und den blühenden Bäumen. Beim Waldhonig bedienen sich die Bienen allerdings der Läuse auf Fichten und Tannen. Diese zapfen die Bäume an und scheiden ein sehr zuckerhaltiges Sekret - genannt Honigtau - aus. Die Bienen sammeln diesen Honigtau, indem sie die Läuse an deren Hinterleibern regelrecht melken. Aus diesem Honigtau produzieren die Bienen schließlich den Waldhonig.

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Die Honigbienen „melken“ die Läuse auf den Nadelbäumen
Heuer waren kaum Läuse auf den Nadelbäumen. Gründe kann man nur vermuten, erklärt der Honigreferent des Landesverbands für Bienenzucht, Martin Ennemoser: „Wahrscheinlich ist der trockene Herbst, der schneereiche Winter und die Kältewelle im Frühjahr dafür verantwortlich, dass sich kaum Lauspopulationen gebildet haben.“ Ein Phänomen, das übrigens alle paar Jahre immer wieder vorkommen kann, allerdings eher regional. Heuer waren die Läuse in vielen Teilen Europas nicht in die Gänge gekommen, so Ennemoser.

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Blütenhonig ist wesentlich heller als Waldhonig und kandiert früher
Viel weniger Honig, dafür Topqualität
Logische Konsequenz aus dem Fehlen der Läuse ist, dass der Tiroler Honig heuer zum größten Teil aus reinem Blütenhonig besteht. Dieser ist laut Ennemoser allerdings von besonderer Qualität: „Weil die Bienen eben keinen Waldhonig ernten konnten, haben sie heuer Blüten besucht, die sonst nicht vordergründig auf deren Speiseplan stehen.“ Das wirkt sich auf Geschmack und Aroma positiv aus.
Auswirkungen könnte die dürftige Honigernte auch auf den Preis haben. Mehr als um einen Euro pro Kilogramm werde die Preissteigerung aber nicht ausmachen, so Ennemoser. Wenn überhaupt, gibt es den echten Tiroler Bienenhonig entweder in den drei Bienenläden des Landesverbandes in Kundl, Innsbruck und Imst bzw. direkt beim Imker. Viele Imker haben Stammkundschaften und würden auf eine Preissteigerung verzichten, schätzt der Honigreferent.

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Ohne Honigbiene kaum Obst
Bestäubungsleistung war ausgezeichnet
Um Missverständnissen vorzubeugen, weist Ennemoser darauf hin, dass der geringe Honigertrag nichts mit dem Fleiß der Bienen zu tun hat, sondern ausschließlich mit dem Nahrungsangebot. Bester Beweis dafür seien die reich tragenden Obstbäume in diesem Jahr. Für deren Bestäubung - und diese ist für die Volkswirtschaft wesentlich bedeutender als die Honigproduktion - ist nämlich zu 80 Prozent die Honigbiene verantwortlich, und da habe diese heuer ganze Arbeit geleistet, so Ennemoser.
Stefan Lindner; tirol.ORF.at