Gleitschneelawinen noch immer rätselhaft

Gleitschneelawinen treten in diesem Winter gehäuft auf. Für die Wissenschaft sind sie nicht restlos erforscht, erklärt der Lawinenexperte Peter Höller. Man wisse letztlich nicht, was für ihren Abgang verantwortlich ist.

Unter Gleitschneelawinen verstehen Experten eine Gleitbewegung der Schneedecke. Verantwortlich dafür ist ein glatter Untergrund. Dies könne etwa ein steiler, oftmals nicht gemähter Wiesenhang sein, der wie eine Rutschbahn wirkt, erläuterte Höller, gerichtlich beeideter Lawinenexperte vom Institut für Naturgefahren am Bundesforschungszentrum für Wald gegenüber der APA: „Aber auch eine durch die Bodentemperatur entstandene Schmelzschicht kann als Schmierfilm fungieren.“

Gleitschneelawine auf Straße abgegangen

ZOOM.Tirol

Abgang einer Gleitschneelawine am Zellberg im Zillertal

Dieser Effekt stelle sich beispielsweise ein, wenn auf eine Warmwetterperiode im Herbst ergiebige Schneefälle folgen, erläuterte der Experte: „Die Bodenwärme bewirkt dann, dass es an der Basis der Schneedecke zu einem Anschmelzen kommt und sich darunter ein dünner Wasserfilm bildet.“ Was eine wichtige Voraussetzung dafür sei, dass sich Gleitschneelawinen bilden.

Zeitpunkt des Abgangs nicht vorhersagbar

Überhaupt hätten sich in der Wissenschaft die Indikatoren Bodenfeuchtigkeit, -temperatur, Schneefeuchtigkeit und -temperatur herauskristallisiert, verdeutlichte Höller: „Wir wissen aber nicht, was letztendlich dafür verantwortlich ist, dass eine Gleitschneelawine abgeht.“ Denn selbst wenn sich Gleitschneerisse - sogenannte Fischmäuler (darunter versteht man Zugrisse in der Schneedecke, die als Warnsignale für Gleitschneelawinen gelten) - bilden, könne nicht gesagt werden, wann die Lawine und warum sie letztendlich abgeht. „Das kann innerhalb von einer Stunde, aber auch erst nach ein paar Tagen oder Wochen sein“, sagte der Experte.

Gewisse Schneehöhe für Gleitschneelawine nötig

Jedenfalls stelle die Schneehöhe einen wichtigen Faktor dar, meinte Höller: „Für den Abbruch braucht es nämlich eine gewisse Auflast“. Daher würden in schneearmen Wintern weniger Gleitschneelawinen auftreten als in schneereichen. Auch die Seehöhe spiele eine Rolle: „In Höhen um 1.000 bis 1.500 Metern sind derartige Lawinen wesentlich häufiger als im hochalpinen Gelände, also oberhalb von 2.200 Metern.“

Der Anriss einer Lawine bis zum Grasboden

Alpinpolizei

Zugriss in der Schneedecke

Ob der Klimawandel das Auftreten von Gleitschneelawinen begünstige, kann Höller nicht sagen: „Die Vermutung liegt nahe, wissenschaftlich ist das aber noch nicht fundiert.“ Generell seien Gleitschneelawinen weiter von wissenschaftlichem Interesse, meint der Experte: „Über ihre Kernfaktoren wissen wir viel.“ Für eine bessere Vorhersagbarkeit von derartigen Lawinen sei aber noch einiges an Forschungsaufwand notwendig. Beispielsweise laufe am Wildkogel im Pinzgau gerade ein Forschungsprojekt, das sich mit diesem Thema befasst.