Streit um Versicherung: Südtiroler Ärzte in Rage

In Südtirol könnten ab Juli medizinische Eingriffe verschoben werden. Dann läuft die Versicherung für Ärzte und Pfleger gegen grobe Fahrlässigkeit aus. Sie sollen sich im letzten Moment selbst darum kümmern. Unmut und Unsicherheit sind groß.

Die Situation sei untragbar, sagt Guido Mazzoleni, Chef der Primarsgewerkschaft ANPO. Das medizinische Personal des Südtiroler Sanitätsbetriebs, Ärzte, Pfleger, Hebammen könnte ab 1. Juli ohne Versicherungsschutz gegen grobe Fahrlässigkeit dastehen. Denn mit 30. Juni läuft seine Versicherungspolizze gegen grobe Fahrlässigkeit aus, eine Verlängerung ist derzeit nicht möglich.

Guido Mazzoleni im ORF-Interview, mit Mikrophon

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Vertreter der Ärzte wie Guido Mazzoleni sind erbost

Medizinisches Personal muss sich in Südtirol selbst mit einer Haftpflichtversicherung gegen grobe Fahrlässigkeit versichern. Der Sanitätsbetrieb hatte dafür bei einer großen Versicherung eine einheitliche Polizze für die Angestellten ausverhandelt, die dann privat bezahlt wurde. So konnten auch komplizierte Streitfälle zwischen unterschiedlichen Versicherungen vermieden werden.

Information fünf Tage vor Auslaufen der Versicherung

Am 25. Juni flatterte den Betroffenen aber ein Rundschreiben von Sanitätsdirektor Thomas Schael ins Haus: Ab 1. Juli seien sie selbst für ihren Versicherungsschutz verantwortlich. Fünf Tage seien zu wenig Zeit, um bei einem dermaßen heiklen Thema eine geeignete Versicherung zu finden, noch dazu mitten in der Ferienzeit, kritisieren Gewerkschaftsvertreter die Informationspolitik des Sanitätsbetriebs. Das medizinische Personal fühle sich von der Verwaltung im Stich gelassen und gering geschätzt.

Ärzte von hinten in einem OP während eines Eingriffs

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Ganze Krankenhausabteilungen haben teils schriftlich angekündigt, ab Montag nur noch Notfälle zu behandeln. Sie wollen nicht das Risiko eingehen, persönlich zu haften.

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher zeigte sich verärgert über die Situation und hat beim Sanitätsbetrieb eine Dokumentation der Ereignisse angefordert. Er kündigte an, dass es bei Fehlverhalten Konsequenzen für die Verantwortlichen geben werde.

Alle Krankenhäuser ohne Versicherungsschutz

Eine Dringlichskeitssitzung am Dienstagnachmittag zwischen Gewerkschaftsvertretern und dem Sanitätsbetrieb brachte keine Entspannung. Nach zwei Stunden Debatte hinter verschlossenen Türen waren die Ärzte noch wütender und konsterniert. Denn erst jetzt sei klargeworden, dass der gesamte Sanitätsbetrieb ab 1. Juli ohne Versicherungsschutz dastehe. Viel zu spät habe man sich um einen neuen Vertrag gekümmert. Sollte etwas passieren, dann hafte das Krankenhaus oder eben das Personal selbst. In Bozen will man deshalb alle Behandlungen, die nicht Notfälle sind, aufschieben, bis es eine Lösung gibt.

Sanitätsdirektor Schael erklärte dazu lediglich, er sei mit fünf Versicherungen in Gesprächen, um das abzuwenden. Mit der ursprünglichen Versicherung sei man sich aufgrund neuer Kondititionen nicht einig geworden. Viel Handlungsspielraum bleibt aber nicht. Es sind nur noch wenige Tage Zeit, um eine neue Versicherung zu finden.

Der Südtiroler Sanitätsbetrieb kämpft seit längerem mit Problemen. Kritisiert werden etwa die langen Wartezeiten für Facharztvisiten - mehr dazu in Erst die Zecke, dann die Impfung. Erst im März war ein Korruptionsfall bekannt geworden - mehr dazu in Südtirol: Skandal erschüttert Gesundheitssystem.