Museion: Zwischen Kunst und Hungerstreik

Das Museum für moderne Kunst in Bozen feiert 10-jähriges Jubiläum und zeigt Werke von Maria Lassnig und Martin Kippenberger. Ein gekreuzigter Frosch Kippenbergers hat bei der Eröffnung vor zehn Jahren heftige Proteste ausgelöst.

Als das Museion im Mai 2008 nach jahrelanger Diskussion und ebensolanger Standortsuche endlich eröffnet wurde, war von dem nahenden Skandal noch wenig zu merken. „Ich möchte die Möglichkeit schaffen, Erfahrungen zu machen und kommunikative Wahrnehmungsfelder öffnen“, meinte die damalige Direktorin Corinne Diserens. Dann war es ein paar Wochen lang ruhig um das Museum mit der markanten Glasfassade.

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Südtirol heute - 8.7.2008

Immer samstags flehte eine Gebetsgruppe vor dem Museum um Gottes Strafe für die „Gotteslästerung“ im Museion. Die Kulturlandesrätin erhielt Drohbriefe.

Das Werk Martin Kippenbergers mit dem Titel „Zuerst die Füße“ war schließlich der Stein des Anstoßes. Es zeigt einen grünen Frosch, der auf ein Kreuz genagelt ist und einen Bierkrug in der einen und ein Ei in der anderen Hand hält. Nach einem Zeitungsbericht rollte eine Protestwelle auf das Museum zu. Vom Landeshauptmann bis zum Bischof gab es Kritik am Frosch - mehr dazu in Gekreuzigter Frosch sorgt für Aufregung.

„Gotteslästerung“ und Hungerstreik-Wahlkampf

Eine Gebetsgruppe aus 30 frommen Katholiken traf sich im dann Juli immer am Samstagabend vor dem Museum, um mit Rosenkranz und Gesang gegen das Werk zu protestieren. Nachdem die Gruppe wiederum Gegenwind und Drohungen erhielt, wurde sie kurzzeitig sogar unter Polizeischutz gestellt.

Gebetsgruppe vor Museion

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Gebetsgruppe verteufelt „Gotteslästerung“ im Museum (Juli 2008)

Franz Pahl, damals SVP-Regionalratspräsident im Landtagswahlkampf, setzte sich mit einem Hungerstreik gegen den Frosch medienwirksam in Szene. „Das christliche Kreuz ist ein Zeichen des Heils“ stand auf einem von Pahls Plakaten, mit denen er gegen eine „Perversion des Kreuzes“ protestieren wollte. Den Hungerstreik brach er aber knapp eine Woche später ab.

Spott und Kopfschütteln

Die Gegner der Kunstfreiheit zogen ihrerseits den Spott der Kunstszene auf sich. So versorgten die „ARTbrothers kraxentrouga“ den hungernden Politiker mit Fastenknödeln. Eine Boznerin brachte einen eigens gebackenen Zopf in Froschform vorbei.

Und auch für die internationale Presse war die Aufregung um das Kunstwerk ein gefundenes Fressen. Genussvoll sezierte die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit die Leserbriefe in den Lokalzeitungen. Und die Süddeutsche Zeitung freute sich über die Tatsache, dass zeitgenössische Kunst doch noch in der Lage sei, „erzkatholische“ Gemüter zu erregen.

Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter-Mur (2008)

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Wochenlang stand die Kulturlandesrätin im Kreuzfeuer der Kritik

Kulturlandesrätin Sabine Kasslatter-Mur ließ sich von Drohungen und Anfeindungen nicht beirren. Und auch der Stiftungsrat des Museums gab sich unbeugsam. Am Ende blieb der Frosch im Museum, wurde aber zunächst etwas verhüllt und später vom Eingangsbereich in den dritten Stock verbannt. Direktorin Corinne Diserens musste im Oktober dann doch gehen, ein Finanzloch sei schuld gewesen. Ihre Nachfolge übernahm die bis dahin leitende Kuratorin Letizia Ragaglia.

Neuer Versuch nach zehn Jahren

„Damals hat der Dialog gefehlt. Das Werk wurde nicht in den richtigen Kontext gestellt“, meint Ragaglia heute. Die Museumsleiterin gibt sich zum zehnjährigen Jubiläum des Hauses selbstkritisch. Die Causa Kippenberger sei „eine offene Wunde, eine offene Rechnung mit Südtirol und mit der Kunstgeschichte“, so die Direktorin.

Daher ist es kein Zufall, dass die Jubiläumsausstellung „BODY CHECK“ die Werke der Österreicherin Maria Lassnig - und des Deutschen Martin Kippenbergers zeigt. „Kippenberger nimmt in der Kunstgeschichte eine wichtige Position ein. Er war nicht bloß ein Clown und Provokateur“, sagt Letizia Ragalia.

Kippenberger-Bilder im Museion

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„Der Misere des menschlichen Daseins eine Form geben“

Die Ausstellung zeigt mehr als 60 Arbeiten der beiden Künstler aus zwei Jahrzehnten. In zahlreichen Werken haben sowohl Lassnig als auch Kippenberger den menschlichen Körper ins den Fokus gerückt. Unter anderem diese Berührungspunkte möchte das Museion in der aktuellen Ausstellung aufzeigen - und wohl zugleich ein schwieriges Anfangskapitel endgültig abschließen. Das Haus hat sich in den vergangenen zehn Jahren gewandelt und geöffnet. Vom gläsernen Fremdkörper ist es zumindest zu einem festen Bestandteil der Stadt geworden.

David Runer, tirol.ORF.at

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