Mordprozess gegen Syrer auf März vertagt

Der Mordprozess gegen einen 27-jährigen Asylwerber aus Syrien ist am Mittwoch vertagt worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord als terroristische Straftat vor. Der Syrer, der während der Verhandlung einen Zusammenbruch erlitt, sieht sich als Opfer eines Dolmetschers.

Ein Jugendbekannter aus der früheren Heimat meldete sich im Herbst 2016 bei der Polizei, weil er von der Anwesenheit des Angeklagten in einem Tiroler Flüchtlingslager erfuhr. Der Bekannte berichtete der Polizei, den Angeklagten in Syrien als Kämpfer gesehen zu haben. Weil der Angeklagte bei den ersten polizeilichen Einvernahmen daraufhin selbst von Tötungen sprach, hatte die Staatsanwaltschaft Anklage wegen 20-fachen Mordes als terroristische Straftat erhoben.

Prozess Syrer Schwurgericht

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Der Angeklagte wurde von Sicherheitskräften der Cobra in den Gerichtssaal geführt

Terroristische Straftat:

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck wertet das Töten nicht als Kriegshandlung, da der Syrer den Gegner nicht im Kampf, sondern Stunden später erschossen haben soll. Nach seinen Berichten sei er Stunden nach Gefechten das Schlachtfeld abgegangen und habe dabei Verletzte mit einer Kalaschnikow getötet. Dieses Verhalten sei geeignet, die Bevölkerung einzuschüchtern und die Region zu destabilisieren, so die Staatsanwaltschaft, die das Kriterium der terroristischen Straftat erfüllt sieht.

StA. ortet Gesinnungswandel

In seinem Eröffnungsplädoyer unterstrich der Staatsanwalt die Anklage. Es könne nicht sein, dass jemand in Österreich „frei herumlaufe“, der offen zugibt, 20 Menschen ohne Not getötet zu haben. Der Staatsanwalt führte weiter aus, dass der Angeklagte erst ab seiner Verhaftung in seiner Verantwortung „zurückgerudert“ sei. Zunächst habe er detaillierte Angaben über seine Tötungen von Verwundeten gemacht, erst nach seiner Verhaftung und mehrfachen Befragung habe er die Vorwürfe als falsche Darstellung des Dolmetschers bezeichnet.

Der Verteidiger betonte die grundsätzliche Verständigungsproblematik und bezweifelte die Kompetenz jenes Übersetzers, der bei der ersten polizeilichen Einvernahme beigezogen war. Dieser Übersetzer soll im Verfahren noch als Zeuge befragt werden. Außerdem zeichnete der Verteidiger das Bild eines schwer traumatisierten Menschen, der Realität mit anderen Eindrücken vermische und schon öfter in psychiatrischer Behandlung war. Auch über die Opfer wisse man gar nichts, so der Verteidiger in Richtung der Geschworenen.

Angeklagter sieht sich als Opfer des Dolmetschers

Der Angeklagte selbst wies in der Gerichtsverhandlung jede Schuld von sich. Als in Syrien lebender Palästinenser sei er bewaffnet gewesen, um sich und seine Familie zu verteidigen. Die vorgehaltenen Fotos eines bewaffneten Kämpfers würden seinen Zwillingsbruder darstellen, er selbst habe als Schlosser gearbeitet und sich keiner politischen Kampftruppe angeschlossen. Allerdings würden sich Gegner des Assad-Regimes automatisch der Faruq-Gruppe zurechnen.

Auf Vorhalt unterschiedlicher früherer Protokolle, in denen der Angeklagte sich selbst als Kämpfer darstellte und Details über die Tötung von Soldaten des Assad-Regimes anführte, erklärte der Angeklagte vor Gericht, diese Äußerungen seien entweder vom Dolmetscher eigenmächtig produziert worden oder auf dessen Druck zustande gekommen. Er habe allgemein über Kriegsszenen in Syrien berichtet, der Dolmetscher habe sie dann ihm persönlich zugeschrieben, so der Angeklagte. Unter Druck gesetzt worden sei er außerdem von einem der Übersetzer, der ihm androhte, in eine Zelle mit „Ausländerhassern“ gesteckt zu werden.

Fortsetzung des Verfahrens im März

Am Nachmittag erlitt der Angeklagte einen gesundheitlichen Zusammenbruch, die Verhandlung wurde zunächst für eine halbe Stunde unterbrochen. Im Anschluss erläuterte ein Sachverständiger die Entwicklung und die Struktur der Faruq-Brigade, die nicht als terroristische Gruppierung zu bewerten sei. Nach seinen Ausführungen wurde die Verhandlung aus Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Angeklagten endgültig unterbrochen und auf Ende März vertagt.

Syrer vor Gericht

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Die gesamte Verhandlung wurde von einem Dolmetscher übersetzt.

Terrorismusbekämpfung von Österreich aus

Dass ein in Syrer lebender Palästinenser für Straftaten in seiner Heimat in Österreich zur Verantwortung gezogen wird, ist ein Novum für die heimische Justiz. Da er nicht in das kriegsführende Syrien ausgeliefert werden kann, macht ihm die österreichische Justiz den Prozess als Teil eines internationalen Abkommens zur Terrorismusbekämpfung.