Suizid-Hinterbliebene in Trauer oft allein

In Tirol haben sich im vergangenen Jahr 114 Menschen das Leben genommen. Die Angehörigen werden mit ihrer Trauer oft allein gelassen und manchmal sogar ausgegrenzt. In mittlerweile vier Selbsthilfegruppen können Hinterbliebene über ihre Trauer sprechen.

„Warum konnte ich seinen Tod nicht verhindern?“ - „Warum hat er nichts gesagt?“ - „Habe ich als Mutter, als Vater, als Partner versagt?“ „Warum hat sie mir das angetan?“ - Fragen, die sich Angehörige nach dem Suizid eines geliebten Menschen stellen. Viele Angehörige plagen Schuldgefühle, weil sie den Tod nicht verhindern konnten. Andere hegen Selbstzweifel und sind in einem tiefen Ohnmachtsgefühl gefangen. Regina Seibl, Leiterin zweier Selbsthilfegruppen für Suizidhinterbliebene, erzählt von einem Fall, wo es in einer Familie nach dem Tod eines Kindes keine Regeln und Grenzen für die anderen Kinder mehr gibt, weil die Eltern tief verunsichert sind und Angst haben, etwas falsch zu machen. Auch Wut - etwa auf einen Arbeitgeber, eine Institution oder auf den Verstorbenen selbst - sei eine der möglichen Reaktionen.

Rückzug und Isolation als Folge

„Suizid-Hinterbliebene ziehen sich sehr oft aus Scham zurück, isolieren sich und werden mit ihrem Leid unsichtbar“, berichtet Univ. Prof. Eberhard Deisenhammer von der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck. Bei vielen führe der Tod des Angehörigen zu Vereinsamung, teilweise bestehe auch die Gefahr der Nachahmung, so Deisenhammer. Deshalb sei Suizidpräventionsarbeit besonders wichtig.

Zuhören und aushalten

Besonders schwierig mache es den Angehörigen aber auch oft ihr soziales Umfeld, das - meist aus Hilfslosigkeit der Situation gegenüber - zurückweicht oder sich sogar abwendet. „Vielen fehlen die Worte, angesichts dessen, was eine Mutter erleben muss, deren Kind sich das Leben genommen hat. Aber diesen Schmerz kann einem ohnehin niemand abnehmen. Wesentlich wäre, dass das Gegenüber das alles aushält und sich mit einem offenen Ohr zur Verfügung stellt, damit der Betroffene darüber frei reden kann“, sagt Regina Seibl.

Kinoabend und Diskussion

Das Tiroler Bündnis gegen Depression lädt am Mittwoch um 19.00 Uhr zum Kinoabend mit anschließender Podiumsdiskussion ins Leokino Innsbruck. In dem Film „Der letzte schöne Tag“ wird die schwierige Situation von Suizid-Hinterbliebenen thematisiert.

SH-Gruppen geben Hoffnung

Mittlerweile gibt es vier Selbshilfegruppen in Innsbruck, Lienz, Wörgl und Landeck, die sich einmal im Monat treffen. „Für die Betroffenen ist dies ein geschützter Raum, in dem sie nicht viel erklären müssen, um mit ihrem besonderen Schmerz und ihren oft chaotischen Gefühlszuständen verstanden zu werden“, erzählt Seibl. Ein wesentlicher Aspekt sei auch, dass sich die Gruppenmitglieder in unterschiedlichen Phasen der Trauer befinden: „Bei manchen liegt das Ereignis schon ein bisschen länger zurück, sie haben schon Schritte machen können, die andere noch nicht machen konnten, weil sie noch zu tief drinnen stecken. In Situationen, in denen man sich denkt: ‚Hört denn das nie auf?‘ oder ‚Kommt mein Leben nie wieder in Ordnung?‘ kann so etwas Hoffnung geben“, so Seibl.

Wünschenswert seien Selbsthilfegruppen für Suizid-Hinterbliebene in allen Bezirkshauptstädten, um noch mehr Betroffenen Unterstützung geben zu können, so Seibl. Sie bietet Betroffenen Beratung und Unterstützung bei der Gründung einer Selbsthilfegruppe an (Tel.: 0650/8804818).