Festakt: 70 Jahre Pariser Vertrag

Vor 70 Jahren ist in Paris das Gruber-Degasperi-Abkommen unterzeichnet worden. Es kann als Fundament der Südtiroler Autonomie bezeichnet werden. Mit einem großen Festakt wurde auf Schloss Sigmundskron bei Bozen an die Wichtigkeit des Pariser Vertrags erinnert.

Auf den historisch bedeutsamen Mauern von Schloss Sigmundskron trafen sich am Montag der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und der italienische Außenminister Paolo Gentiloni (PD) zur Feier des Jubiläums. Die beiden Außenminister gaben bei der Jubiläumsfeier das Versprechen ab, Südtirols Sonderstatus weiterhin anzuerkennen und zu fördern

Sebastian Kurz hält Rede auf Schloss Sigmundskron

APA/AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP)

Südtirol sei „eine immerwährende Herzensangelegenheit Österreichs“ so Kurz. Sein italienischer Amtskollege Paolo Gentiloni bezeichnete das Gruber-Degasperi-Abkommen als „Vorläufer der europäischen Integration“. Das Gruber-Degasperi Abkommen bildete 1946 das Fundament für ein Autonomiestatut. Es wurde von vielen Italienern damals herbeigesehnt.

Demonstration für Selbstbestimmung

Nach Krieg und nazifaschistischem Terror wollten viele Südtiroler weg von Italien, weg von einem Staat, der ihre Identität auslöschen wollte. Auf Schloss Sigmundskron wurde im Mai 1946 für die Selbstbestimmung demonstriert. Schon vorher sammelten Unterstützer fast 160.000 Unterschriften und gaben sie an Österreichs Bundeskanzler Leopold Figl weiter. Der Wunsch nach Selbstbestimmung blieb aber lange Zeit ein Traum.

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Die Brennergrenze war lange Zeit auch die Grenze für die Autonomie der Südtiroler

„Das Selbstbestimmungsrecht wurde uns nicht gegeben, es wurde beschlossen, dass Italien die Brennergrenze behalten solle, weil Italien schon gestraft wurde, indem man das Hinterland von Triest, Istrien, genommen hatte“, so Silvius Magnago, Südtiroler Landeshauptmann in den Jahren 1960 - 1989.

Zwei Alttiroler besiegeln Schicksal Südtirols

Schließlich verhandelten Österreich und Italien in Paris. Zwei Alttiroler hatten das Schicksal Südtirols in ihren Hände: Alcide Degasperi, Italiens Regierungschef, ein Trentiner, und Karl Gruber, der österreichische Außenminister und Tiroler.

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Alcide Degasperi und Karl Gruber begründeten mit ihrer Vertragsunterzeichnung das heutige Südtirol

Gruber erzählte damals die Geschichte von der Vertragsunterzeichnung in Paris: „Degesaperi sagte mir damals: ’Schauen Sie lieber Freund, wenn unsere beiden Staaten zum Nationalismus zurückkehren, können wir das hier vergessen und die Bürokraten werden den Vertrag irgendwann außer Kraft setzen und verschlampen. Wenn wir uns auf Euorpa zubewegen, dann wird das ein sehr wichtiger, bleibender Schritt sein. Das Entscheidende ist, dass wir aus den beiden Weltkriegen die Lehre ziehen, dass wir alle nach Europa gehören.“

Vertragsunterzeichnung als Start für Autonomie

Am 5. September 1946 wurde der Pariser Vertrag unterzeichnet. Er sollte Frieden stiften und die Rechte der Südtiroler festschreiben.

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Langersehnter Vertrag

Der Vertrag garantierte deutsche Schulen, aber auch die Gleichstellung der deutschen Sprache und die Gleichberechtigung der Südtiroler.

Was positiv klingt, beunruhigte damals viele. Denn Südtirol blieb Teil Italiens. Das bescherte Karl Gruber in der Heimat Häme. Nur wenige zollten ihm Respekt. Silvius Magnago, ehemaliger Südtiroler Landeshauptmann, sah aber nur diese Lösung: „Gruber hatte nur die Möglichkeit, von Paris mit leeren Händen heimzugehen oder eben mit dem Pariser Abkommen.“ Ludwig Steiner, ein österreichischer Diplomat, ergänzte das: „Nehmen oder lassen, wenn man gesagt hätte ‚Nein, das wollen wir nicht‘, dann hätte man gar nichts gehabt.“

Schwieriger Start in die Autonomie

Das Gruber-Degasperi-Abkommen legte das Fundament für ein Autonomiestatut. Es trat 1948 in Kraft. Doch Südtirol war damit nicht autonom, sondern wurde mit Degasperis Heimat Trient zwangsvermählt. Die Provinzen Bozen und Trient wurden zu einer neuen Region mit dem Namen „Trentino-Tiroler Etschland“ zusammengeschweißt. Die Hauptstadt war Trient, zwei Drittel der Bewohner waren Italiener.

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So sah die neue Region „Trentino-Tiroler Etschland“ damals flächenmäßig aus

Von der versprochenen Selbstverwaltung war damals wenig zu spüren, die Macht lag in Trient. Das ließ den Unmut in Bozen wachsen. Erst 1961, vor dem Hintergrund von Bombenanschlägen gegen italienische Einrichtungen in Südtirol, wurde nach zähen Verhandlungen zwischen Rom und Wien das sogenannte „Paket“ geschnürt. Das „Paket“ war ein neues Autonomiestatut mit mehr Rechten für Südtirol. Es trat 1972 in Kraft und brachte sozialen und ethnischen Frieden. 20 Jahre dauerte es, bis der Großteil der vereinbarten Maßnahmen von Rom durchgeführt wurden. Schlußendlich verhalf das Autonomiestatut Südtirol zu einer Region mit Modellcharakter zu werden. Das erste Kapitel dieser Erfolgsgeschichte wurde vor 70 Jahren mit dem Pariser Vertrag geschrieben.