Umjubelter Auftakt der Festwochen

Mit einer umjubelten Premiere der Oper „Il matrimonio segreto“ haben am Freitag die Innsbrucker Festwochen begonnen. Akustisch war die Oper ein Hochgenuß. Die Inszenierung erinnerte an das Kinderbuch von Mutter Gans.

Eigentlich ist das Markenzeichen der Innsbrucker Festwochen die Wiederentdeckung und Wiederaufführung barocker Opern. Im 40. Jubiläumsjahr machte Intendant Alessandro de Marchi allerdings eine Ausnahme und brachte mit „Il matrimonio segreto“ ein wahres Evergreen auf die Bühne. Seit dem Jahr ihrer Uraufführung, 1792, ist die 54. Oper, die Domenico Cimarosa (1749–1801) geschrieben hat, ununterbrochen auf den Spielplänen.

Barocke Screwball Komödie

Die Innsbrucker Festwochen, die sich 2016 unter das Thema der TragiCommedia gestellt haben, feierten ihren musikalischen Auftakt mit einer turbulenten Komödie. Il matrimonio segreto – die heimliche Hochzeit – ist eine barocke Screwball-Komödie. Die Oper um Liebes- und Heiratsverwicklungen wurde für den Wiener Hof geschrieben.

Ausschnitt aus Il matrimonio segreto

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Die Darsteller traten in Vogelkostümen auf

Die witzige Brillanz des Librettos von Giovanni Bertati, der von dem englischen Lustspiel „The Clandestine Marriage“ inspiriert wurde und die Raffinesse der Komposition machen „Il matrimonio segreto“ zum Meisterwerk Cimarosas. Zu ihrer Komödie inspiriert wurden die beiden barocken Meister durch einen Kupferstich des englischen Malers William Hogarth.

Turbulente Handlung

Der reiche Kaufmann Geronimo will seine Tochter Elisetta mit dem Grafen Robinson verheiraten; der will lieber ihre jüngere Schwester Carolina, die aber schon mit Paolino in heimlicher Ehe lebt; beider Tante Fidalma möchte wiederum gern Paolino zum Mann, und Geronimo dem wäre am liebsten wenn alle aus dem Haus wären und er seinen Adelsbrief in der Tasche hätte. Bis sich all diese Irrungen in Wohlgefallen aufgelöst haben, wird das Publikum mit drei Stunden Musik belohnt, die schon eine Vorahnung auf die Zukunft der italienischen Oper ist.

Besuch bei Mutter Gans

Das Bühnenbild erinnert auf liebenswerte Weise an das berühmte Kinderbuch von Mother Goose. Detailliert und verspielt, bildet die Bühne einen Hühnerstall nach. Der französische Regisseur Renaud Doucet und sein Partner André Barbe, der für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich ist, arbeiten seit 2000 als Team zusammen. Beide sind bekannt für opulente Inszenierungen und phantastische Regieeinfälle.

Ausschnitt aus Il matrimonio segreto

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Erinnerungen an ein Kinderbuch werden wachgerufen

Die fortwährenden Verweise in der Oper auf das Gezänk in der Familie lieferten die Idee für die Inszenierung und die Kostüme: Sie sind alle Vögeln nachempfunden. Carolina kommt als Schmuckhuhn daher, Tante Fidalma ist der Truthahn, der goldene Eier legt, und der adelsversessene Vater – ist natürlich der bunte Hahn im Hühnerstall.

Vielschreiber Cimarosa

Der Neapolitaner Domenico Cimarosa war ein Vielreisender und ein Vielschreibender. Nach einem längeren Abstecher bei Zarin Katharina II. in Sankt Petersburg wurde er auf Einladung Kaiser Leopold II. Nachfolger Antonio Salieris als Hofkomponist in Wien. Hier entstand sein Meisterwerk Il matrimonio segreto, das unter den besten Leistungen leichter Opernmusik rangiert.

Seine Musik weist weit über die Schwelle zum 19. Jahrhundert hinaus und Domenico Cimarosas Bedeutung für seine Zeit darf nicht unterschätzt werden. Behauptungen, dass seine Spätwerke der dramatischen Tonsprache Mozarts unmittelbar nahestehen, will Dirigent Alessandro de Marchi nicht so stehen lassen. Für ihn ist Cimarosa vielmehr ein Bindeglied zwischen Mozart und Rossini – und nicht etwa Mozarts Epigone.

Ausschnitt aus Il matrimonio segreto

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Applaus für Regie und Darsteller

Alessandro de Marchi, der wie gewohnt sein Orchester, die Academia Montis Regalis dirigierte, ließ denn auch erkennen, wie nahe Cimarosas Musik manchmal am Belcanto der späteren italienischen Oper ist. Wenngleich Il matrimonio natürlich in jeder Hinsicht eine barocke Oper ist, mit vielen Rezitativen, deren Gestaltung jedoch keinerlei Langeweile aufkommen ließ. Ja, sie erinnerten vielmehr an die witzigen Wortduelle der berühmten US Filme der 1930er Jahre.

Castellano sprang für Kasarova ein

Musikalisch war diese Premiere ein wahres Teamwork. Nicht genug zu loben ist dabei die Leistung der jungen italienischen Mezzosopranistin Loriana Castellano, die in nur wenigen Tagen, die Rolle der Fidalma von Vesselina Kasarova übernommen hat - mehr dazu in Opernstar sagt nach Raubversuch ab. Hier erwies es sich als absoluter Glücksfall, dass de Marchi dieses Mal keine unbekannte Oper ausgesucht hatte. Die italienische Mezzosopranistin hat diese Rolle bereits mehrmals gesungen.

Geradezu hinreißend waren Renato Girolami (Bariton) als Graf Robinson und Donato di Stefano (Bass) der den Geronimo gab – wenn beide Kampfhähne aufeinandertrafen, war das nicht nur akustisch ein Hochgenuss. Giulia Semenzato (Sopran) hat als Carolina nicht nur das Herz des Grafen erobert – auch das Publikum hat sie zu Recht umjubelt. Stimmsicher und wunderbar ausdrucksvoll als fast sitzengelassene Elisetta: Klara Ek (Sopran), die schon im Vorjahr das Publikum als Rosmonda in Il Germanico begeistert hatte. Manchmal etwas blass in diesem bunten Federgetümmel wirkte Tenor Jesús Álvarez der den Paolino gab und der im zweiten Teil des Abends aber deutlich an Kontur gewann – urkomisch ist, wie er sich den Annäherungsversuchen der Fidelma nur durch eine Ohnmacht retten kann.

Noch weitere Glanzpunkte bei den Festwochen

Il Matrimonio Segreto ist noch am 14. August um 16.00 Uhr und am 16. August um 18.30 Uhr zu sehen. Am Spielplan der Festwochen stehen jedoch noch weitere Höhepunkte. René Jacobs wird am 23. August im Congress Innsbruck Christoph Willibald Glucks Alceste in einer konzertanten Aufführung dirigieren. Und die Barockoper jung bringt mit „Le nozze in sogno“ – die Hochzeit im Traum, ein Werk zur Aufführung, das erst im letzten Jahr Pietro Antonio Cesti zugeschrieben werden konnte.

Patrizia Jilg; tirol.ORF.at

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