Der schwierige Weg zum Asylquartier

Tirol liegt mit seiner Flüchtlingsquote am unteren Ende der Bundesländer. Doch die Quartiersuche des Landes ringt mit vielschichtigen Problemen – vom FI-Schalter über Warmwasser bis hin zur politischen Kommunikation.

In Obsteig am Mieminger Plateau wurden Mitte Dezember rund 50 Asylwerber in einem Hotel einquartiert. Die Bürger tragen diese Entscheidung mit: Freiwillige geben Deutschunterricht, Kindergarten und Volksschule stellen Plätze für die Kinder. Die Asylwerber stammen überwiegend aus Syrien und Afghanistan, sie kommen gut miteinander aus.

Konflikte der Heimat leben oft im Quartier weiter

Die ethnische Zusammensetzung der Flüchtlinge in einem Quartier ist eine sensible Aufgabe. Bei den Tiroler Sozialen Dienste (TSD), die für die Unterbringung von Asylwerbern zuständig ist, beschäftigt sich eine ganze Abteilung mit dem Problem der „kulturadäquaten“ Belegung. Missachtet man Religion und Kultur der gemeinsam Untergebrachten, können rasch gröbere Friktionen in einem Quartier entstehen.

Asylwerber in Tirol

Ist: 6.200
Soll: 6.900
Quote: 90 Prozent
(Stand 21. Jänner; Quelle TSD)

Hinter der niedrigen Asylwerberquote in Tirol stehen handfeste Hürden. Manche Objekte, die an die TSD herangetragen werden, verfügen nicht über die geforderte Ausstattung, benötigen noch einen FI-Schalter, sind schwer heizbar oder haben noch nicht die richtige Widmung. Abzuwägen ist dann, wie viel Aufwand erforderlich ist und wie viele Quartiere damit tatsächlich geschaffen werden, berichtet Georg Mackner, bei den TSD für die Kommunikation zuständig. "Ins Kalkül ziehen müssen wir auch, ob ein Objekt im Ortszentrum steht oder außerhalb, ob es einen Nahversorger und Infrastruktur gibt und damit auch die Frage, wie dort Betreuung gewährleistet werden kann“, schildert Mackner.

Georg Mackner, Tiroler Soziale Dienste

ORF

Georg Mackner von den TSD sucht in den Gemeinden das Gespräch

Die Frage des richtigen Zeitpunkts

In dieser Phase, solange ein Quartier nicht fix ist, wird die Information noch sparsam dosiert. Quartiersuche ist auch eine Frage des Zeitmanagements: Bürgermeister und Gemeindevertreter zu informieren macht für die TSD erst Sinn, wenn ein Haus oder eine Wohnung real verfügbar sind. „Manche Objekte taugen nicht für Menschen auf der Flucht“, sagt Mackner im ORF-Gespräch, „da braucht man erst gar keine Diskussion entzünden!“ Andererseits: Herrscht im Ort erst einmal Aufregung, kann die Hitze der kommunalen Auseinandersetzung eine mögliche Unterbringung auch verhindern. Kommt ein Quartier aber doch zustande, kann Information gar nicht umfassend und rasch genug geboten werden.

Eine weitere Vorgabe schränkt die Zahl möglicher Asylwerberplätze in Tirol ein: Der Versuch, das ganze Dorf für die Unterbringung zu gewinnen. Während man in Tirol daran festhält, dass nur durch das Gespräch langfristige Akzeptanz herstellbar ist, kritisiert das Innenministerium diesen „partizipativen Ansatz“, der die Hebung der Quote aufgenommener Flüchtlinge sehr verlangsame.

Beispiel Obsteig: Flüchtlinge im Hotel

In der Gemeinde am Mieminger Plateau ist das Quartier ein großes ehemaliges Vier-Sterne-Haus. Eine Hotelierin hat die Asylwerber trotz laufendem Hotelbetrieb einquartiert und bietet die sogenannte „Vollversorgung“. Sie erhält dafür pro Person 19 Euro für Kost und Logis. Um den Asylwerbern, denen die Tiroler Küche fremd ist, das Warten erträglicher zu machen, errichtet die Gastronomin eine eigene Küche, in der die syrischen und afghanischen Familien tageweise auch selbst kochen können.

Asylwerber in Obsteig

ORF

Kochen und Deutschlernen gehen in Obsteig Hand in Hand

Bürger tragen Entscheidung mit

Seit Vizebürgermeister Alexander Egger grünes Licht für die Ansiedlung der 50 Menschen gegeben hat, ist ein Teil der Gemeinde engagiert. Die Vinzenzgemeinschaft organisiert Dinge des täglichen Bedarfs, eine pensionierte Lehrerin hat einen Freiwilligentrupp für Deutsch-Kurse aufgestellt. Für die Information der Gemeinde hat Egger den Pfarrer „instrumentalisiert“ und ihn gebeten, die Entscheidung in der Sonntagsmesse kundzutun. In Obsteig ist die parallele Gesprächsführung der TSD – einerseits mit der Hotelierin, andererseits mit der Gemeindeführung – gelungen. Mit 50 Flüchtlingen auf 1300 Einwohner erfüllt Obsteig seine kommunale Quote (Richtwert 1,5 Prozent der Bevölkerung) gleich zwei Mal.

Ulrike Finkenstedt, tirol.ORF.at

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