Studie zur Tiroler Justiz in der NS-Zeit

Das Institut für Zeitgeschichte hat im Auftrag des Oberlandesgerichtes Innsbruck die Rolle der Justiz während und nach der NS-Zeit aufgerollt. Die Ergebnisse werden am Freitag am Innsbrucker Landesgericht präsentiert.

Am 20. November 1945 begannen die Nürnberger Nazi-Kriegsverbrecherprozesse. Der 70. Jahrestag war Anlass für die Tiroler Justiz, ihre Geschichte zu durchleuchten. Beauftragt wurde für die Studie unter dem Titel „Täter - Richter - Opfer, Tiroler und Vorarlberger Justiz unter dem Hakenkreuz“ das Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck. Die Forscher versuchten der Frage nachzugehen, wie effizient nach 1945 der Tiroler Justizapparat von Nazis gesäubert wurde.

Sondergericht verhängte 30 Todesstrafen

Ab 1939 waren an allen Landesgerichten Sondergerichte installiert. In den Kriegsjahren galten sie als Standgerichte der Heimatfront. Gegen die Angeklagten wurden hohe Strafen verhängt, häufig auch die Todesstrafe für Verbrechen, die den Zusammenhalt der Heimatfront gefährdeten. Insgesamt verhängte das Innsbrucker Sondergericht 30 Todesurteile.

Gegen die Urteile von Sondergerichten war kein ordentliches Rechtsmittel möglich. Im Rahmen der Studie untersuchte das Institut für Zeitgeschichte in Tirol 800 Verfahren mit 1.100 Angeklagten. Sie wurden unter anderem wegen Wehrdienstentziehung oder Kriegswirtschaftsdelikte, wie Schwarzschlachten oder Warenhinterziehung angeklagt.

Entnazifizierung nach 1945

Bei der sogenannten „Entnazifierung“ ging es nach 1945 im öffentlichen Dienst darum, die Menschen zu erfassen, die dieser radikalen Ideologie gefolgt sind, erklärte Geschichtsforscherin Sabine Pitscheider im ORF Interview. Strafen waren zum Beispiel Entlassungen, Gehaltsstopps oder Pensionsstreichungen. Grundlage dafür war das Verbots- und Nationalsozialistengesetz.

Tirol habe dieses österreichweite Gesetz deutlich anders interpretiert, so Pitscheider. Man habe vor allem versucht, Mitglieder des öffentlichen Dienstes zu entregistrieren und nicht zu entnazifizieren. Es wurde also versucht, sie zu entschuldigen, um sie möglichst bald wieder in den Dienst stellen zu können ohne Nachteile, erklärte Pitscheider.

Geschichtsforscherin Sabine Pitscheider

ORF

Geschichtsforscherin Sabine Pitscheider

Nach 1945 wurden von den 158 Richtern und Staatsanwälten in Innsbruck 61 bestraft. 27 von ihnen wurden entlassen, 34 sind zeitweise enthoben worden, manche über Jahre, sagte Pitscheider im ORF Interview. Von den Enthobenen seien später einige aber noch zu Amt und Würden gekommen, wie zum Beispiel der Oberlandesgerichtspräsident Rudolf Penz, der drei Jahre enthoben war und dann Mitte der Fünfzigerjahre Oberlandesgerichtspräsident wurde, so Pitscheider. Ein weiteres Beispiel ist Nazi-Oberstaatsanwalt und Obersturmführer Karl Stettner. Er wurde 1951 vom Bundespräsidenten begnadigt und bekam eine stattliche Pension, da auch seine NS-Zeit als Vordienstzeit angerechnet wurde.

Kritischer Umgang mit Ergebnissen

Die Studien-Ergebnisse sind für den derzeitigen Oberlandesgerichtspräsidenten Klaus Schröder nicht angenehm. Man werde aber kritisch damit umgehen, sagte Schröder im ORF Interview, im Sinne einer Bewusstseinsbildung. Auch wenn man eine Generation sei, die nicht mehr unmittelbar davon betroffen sei, habe man Verantwortung dafür zu tragen, was in dieser Zeit passiert sei, so Schröder. Präsentiert werden die Ergebnisse der umfangreichen Geschichtsforschung am Freitag in Form eines Symposions, an dem auch die beiden Landtagspräsidenten von Tirol und Vorarlberg, sowie Justizminister Wolfgang Brandstetter teilnehmen werden.