Überlebende erinnern sich an Tsunami

Drei Südtiroler berichten in „Südtirol heute“ nach dem Tsumami in Asien vor zehn Jahre über ihr Erlebtes. Eine Frau überlebte nur durch ein Wunder. Eine andere beschäftigen immer noch die Bilder von den vielen Toten. Einem Mann hat es geholfen, immer wieder an den Unglücksort zurückzukehren und zu helfen.

Anneliese Schlechtleitner, Kathrin Schrott und Markus Wenter beschreiben den Morgen des 26. Dezember 2004 und die Folgen wie einen Katastrophenfilm. Sie waren an jenem Tag auf Urlaub in Khao Lak, Phi Phi Island bzw. Phuket. Zehn Jahre danach treffen sie einander zum ersten Mal, um sich über ihre Erlebnisse vom 26. Dezember 2004 austauschen und über die Folgen miteinander zu sprechen.

Drei Überlebende aus Südtirol im Gespräch

ORF

Anneliese Schlechtleitner (li.), Kathrin Schrott, Markus Wenter

Nur drei von 900 Gästen haben überlebt

Zwei Stunden nach dem Seebeben raste eine riesige Welle mit 700 Stundenkilometern auf die Küste Thailands zu. Anneliese Schlechtleitner hat gleich geahnt, dass etwas passiert. Sie wurde voll von der Welle erfasst. „Im Wasser war es meine Rettung, dass ich nichts getrunken habe, dass ich meine Atmung einteilen konnte und nicht erstickt bin.“ Sie blieb schwerst verletzt am Strand liegen. Die damals 70-jährige Frau erlitt zahlreiche Knochenbrüche, Holzsplitter bohrten sich in ihr Gesicht, ihre Lunge war zerquetscht. Noch am Strand schnitt ein Arzt ihren Brustkorb auf, um sie zu retten. In ihrem Hotel überlebten von 900 Gästen nur drei.

13 Operationen waren nötig

Anneliese Schlechtleitner kämpfte um ihr Überleben. Sie drohte immer wieder in Ohnmacht zu fallen. „Mir ist dann eingefallen, dass ich auf Latein Wörter deklinieren kann und Tun-Wörter konjugieren kann. Das ist gegangen, so habe ich mich wach gehalten. Ich habe nicht aufgegeben, ich wollte einfach überleben.“

Nur mit Glück bekam sie einen Platz in einem Sanitätsflugzeug nach Österreich, wo sie dann monatelang im Lorenz-Böhler-Krankenhaus in Wien behandelt wurde. 13 Operationen musste sie sich unterziehen und neun Monate Rehabilition machen. Schmerzen hat sie aber immer noch.

Geholfen hunderte Leichen einzusammeln

Der Tierärztin Kathrin Schrott aus Völs hatte in der Früh des 26. Dezember 2004 bemerkt, dass sich das Wasser mehrere hundert Meter zurückgezogen hat. „Das war verwunderlich. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Die Menschen haben angefangen, dem Wasser nachzugehen. Dass wollte ich eigentlich auch tun. Mein damaliger Freud hat aber gesagt: Nein, das tust du nicht. Irgendetwas passt da nicht.“ Sie seien Richtung Landesinnere gelaufen. Am Horizont sei plötzlich eine weiße Schaumwelle zu sehen gewesen. „Da wir uns schon vom Strand wegbewegt haben, war die Welle bei uns nur mehr drei, vier Meter hoch. Sie hat uns mitgerissen, aber uns nicht verletzt.“ Nur jeder Fünfte auf Phi Phi Island hat überlebt. Nach der Welle half Kathrin Schrott, hunderte Leichen einzusammeln oder zu bergen. „Das sind Bilder, die nicht mehr aus dem Kopf gehen“, erinnert sich Kathrin Schrott.

Die erste Leiche, die sie gefunden habe, sei ein kleines Mädchen gewesen. „Ich weiß noch genau, wir haben gesucht und plötzlich haben wir einen Arm unter einem Baum gesehen. Wir haben das Mädchen in den Armen zu seinem Vater getragen und ihm übergeben. Das war der Beginn von einem Trauma, das mich bis heute beschäftigt.“

"Warum habe gerade ich überlebt?

„Als ich wieder nach Südtirol zurückgekommen bin, hat mich am meisten die Frage belastet: Warum habe ich überlebt und alle anderen nicht? Für mich war der Alltag ein Horror. Ich habe überall, wo Müllsäcke gestanden sind, Leichensäcke gesehen. Menschen, die bei so einer Naturkatastrophe sterben, schauen nicht friedlich aus. Denen sieht man ihre Angst auch im Tod an. Diese Bilder haben mich ganz lange nicht los gelassen.“ Ein halbes Jahr lang benötigte sie eine Therapie.

Opfer hilft in Thailand

Markus Wenter, ebenfalls aus Völs, berichtet, dass seine Unterkunft in Phuket durch Palmen etwas geschützt gewesen sei. „Die Welle war dann nicht so stark, sonst hätten meine Frau und ich das sicher nicht überlebt“. Nach der Heimreise war er nur glücklich, überlebt zu haben. Aber nach einiger Zeit, als ihm die Zahlen über die vielen Toten, klar wurden, habe er angefangen nachzudenken. Auch er war vier Monate in psychologischer Betreuung, seine Frau acht Monate.

Er denkt, die Erlebnisse auch dadurch bewältigt zu haben, weil er jedes Jahr wieder nach Phuket gereist ist. Der Völser hat in seiner Heimatgemeinde Spenden gesammelt, um damit ein Haus für eine thailändische Familie zu bauen. Auch die Unterkunft und die Ausbildung von Waisenkindern im Katastrophengebiet wurden damit unterstützt. „Wir glauben, dass uns der Versuch beim Aufbau etwas mitzuhelfen, gut getan hat.“

Jeder Tag ist ein Geschenk

Das vor zehn Jahren Erlebte hat das Leben der drei nachhaltig geändert. So sagt etwa Markus Wenter: „Ich rege mich kaum mehr über etwas auf.“ Anneliese Schlechtenleitner meint: „Die innere Zufriedenheit, die innere Freiheit und das innere Glück, das man nach einer solchen überlebten Katastrophe hat, kann man kaum beschreiben. Ich war noch nie so zufrieden in meinem Leben.“ Und Kathrin Schrott berichtet: „Man schätzt sehr, was man am Leben hat. Ich habe auch keine Angst mehr vor dem Tod, weil ich weiß, wenn er kommt, dann kommt er sicher.“

Den Bericht in „Südtirol heute“ hat Manuela Vontavon gestaltet.

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar