Alpine Architektur gestern und morgen

Utopische und skurrile Visionen, wie man in den Bergen bauen könnte, zeigt die Ausstellung „Dreamland Alps“ im Archiv für Baukunst in Innsbruck. 22 Projekte aus den vergangenen 100 Jahren demonstrieren, wie sich der Blick auf die Berge verändert hat.

Unter den Projekten sind Entwürfe bedeutender Architekten wie Adolf Loos, Bruno Taut oder Gio Ponti. Nicht alle dieser kühnen Ideen wurden verwirklicht.

Vom Respekt zur Ausbeutung

Seit die Alpen Anfang des 18. Jahrhunderts „entdeckt“ wurden, veränderte sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur grundlegend, vom Respekt vor den Gefahren über die Bewunderung des Erhabenen bis zur hemmungslosen Ausbeutung der Alpen durch den Massentourismus. Diese Entwicklung spiegelt sich in der Architektur, was in der Ausstellung „Dreamland Alps“ anhand von Modellen, Filmen und Fotografien anschaulich dargestellt wird.

Sendungshinweis:

„Tirol heute“, 21.1., 19.00 Uhr, ORF2

Im 19. Jahrhundert beginnen englische Adelige, die Alpen als romantischen Sehnsuchtsort zu erobern. Davor war der deutsche Klassizist Johann Joachim Winckelmann noch in seiner Kutsche auf dem Weg nach Rom mit geschlossenen Rollos durch die bedrohliche Bergwelt gefahren, erzählt Christoph Hölz, der Leiter des Archivs für Baukunst.

Erstes Riesenrundgemälde in London

1793 eröffnet das erste, vom irischen Maler Robert Barker erfundene Riesenrundgemälde in London. Die Besucher begeben sich auf eine virtuelle Reise von der Stadt in eine verlockende, alpine Landschaft. Weltausstellungen schmücken sich mit künstlichen Bergwelten und Schweizer Dörfern. Der Titel der Innsbrucker Ausstellung stammt vom Vergnügungspark „Dreamland“ auf Coney Island bei New York, in dem um 1907 bereits Berg- und Talfahrten die Attraktion darstellen.

Die reale Eroberung der Alpen beginnt mit dem Ausbau der Eisenbahn. Luxuriöse Grand Hotels in Burgherrenromantik entstehen für die noblen Gäste.

Dolder Grand Hotel

Archiv für Baukunst

Das Hotel als Schloss - Reminiszenz an die Romantik

Alpine Architektur zur Weltverbesserung

Unter dem Einfluss der Schrecken des Ersten Weltkriegs formuliert der deutsche Architekt Bruno Taut 1919 seine Visionen zur „Alpinen Architektur“. Er sehnt sich nach dem Frieden in Europa, einer neuen Gesellschaft und entwirft monumentale Gemeinschaftshallen in kristallinen Formen. Schluchten will Taut mit Bögen aus schwerem, farbigem Glas überspannen, darüber sollen Windharfen erklingen.

Adolf Loos entschnörkelt die Architektur

Der Österreicher Adolf Loos diktiert, wie man in den Bergen bauen soll. Sein nicht realisierter Entwurf eines Wintersporthotels am Semmering ist radikal und modern. Neben Bauanweisungen gibt Loos 1913 auch Bekleidungstipps für Städter in den Bergen: „Baue nicht malerisch. Überlasse solche Wirkung den Mauern, den Bergen und der Sonne. Der Mensch, der sich malerisch kleidet, ist ein Hanswurst."

Adolf Loos, Wintersporthotel am Semmering (nicht realisiert)

Archiv für Baukunst

Adolf Loos, Wintersporthotel am Semmering. Foto des Originalmodells um 1920 (nicht realisiert)

Skurrile Visionen

Die Planer legen zunehmend Wert auf gute Aussicht, die Belüftung der Räume und auf den Sonnenstand, zum Beispiel bei Sanatorien. Der französische Arzt Jean Saidman lässt 1930 ein drehbares Solarium in Aix-les-Bains errichten. Patienten werden auf Liegen geschnallt, die man optimal nach der Sonne ausrichtet. Das drehbare Solarium wird vor allem von wohlhabenden Frauen besucht, die an neuralgischen Krankheiten leiden.

Solarium Dr. Saidman 1930

Archiv für Baukunst

Drehbares Solarium nach Dr. Jean Saidman in Aix-les-Bains, 1930

Als Tiroler Beispiel ist die Bergstation auf dem Hafelekar von Franz Baumann aus dem Jahr 1927 in der Ausstellung vertreten. Der sich harmonisch in die Bergwelt einfügende Bau behauptet sich neben den internationalen Projekten etwa von Gio Ponti. Die Schau, die in Zusammenarbeit mit Susanne Stacher von der École nationale supérieure d´architecture de Versailles (ENSA) und ihren Studenten entwickelt wurde, will nicht werten, betont Christoph Hölz. So sind die Projekte von durchaus unterschiedlicher Qualität unkommentiert nebeneinander gestellt. „Wer durch die Ausstellung geht, freut sich sicher, dass manches nicht verwirklicht wurde und bedauert, dass andere Projekte noch nicht gekommen sind“, so Christoph Hölz.

Künftiges Bauen in den Alpen? Weiterträumen!

Ein Vorzeigebau ist die Monte Rosa Hütte in den Schweizer Alpen. Der von der ETH Zürich entwickelte, kristalline Bau ist mit einem Solarkraftwerk und einer Wasseraufbereitungsanlage völlig autark.

Monte Rosa Hütte

Archiv für Baukunst

Monte Rosa Hütte bei Zermatt

Eine Übernachtungsmöglichkeit könnte auch die Raumkapsel des britischen Designers Ross Lovegrove sein, die er für die Dolomiten entwickelt hat. Das blasenförmige, für zwei Personen gedachte Gebilde aus Polyacryl soll Strom vom hauseigenen Windrad beziehen.

Ross Lovegrove Alpine Capsule

Archiv für Baukunst

Eine Kapsel als Biwak, Piz la Ila, Alta Badia 2009 (nicht realisiert)

Ausstellungshinweis:

Dreamland Alps - Utopische Projektionen und Projekte in den Alpen, bis 28. März 2014, Archiv für Baukunst, Lois Welzenbacher Platz 1 (im Adambräu), Di. bis Do. 10.00 bis 17.00 Uhr, Fr. 10.00 bis 13.00 Uhr.

Link: