Töchterle: „Schlechte Symbolik für Wissenschaft“

Karlheinz Töchterle ortet nach seinem Aus als Wissenschaftsminister eine „schlechte Symbolik“ für die Wissenschaft. Die zahlreichen negativen Reaktionen würden ihn in seiner Prognose bestärken. Auch von Seite der Unis gibt es Kritik an der Entscheidung.

Wissenschaft und Forschung seien kein unbedeutender Teil der Stärke Österreichs. „Jetzt zu sehen, dass das nur eine Appendix in einem anderen Ministerium ist, wird viele schmerzen“, so Töchterle.

Töchterle: „Mitterlehner hat nicht meine Expertise“

Seinen Nachfolger als Verantwortlichen für die Wissenschaft, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), schätzt Töchterle persönlich. Er habe daher die Hoffnung, dass die befürchteten finanziellen Folgen etwa für die Grundlagenforschung nicht eintreten. „Es kann sein, dass er sich deshalb besonders bemüht.“ Schon derzeit sei die angewandte Forschung in Österreich viel besser finanziert. „Wenn jetzt der Wirtschaftsbund jubelt, verstehe ich das. Das ist aber zu kurzes Denken.“ Man brauche nur den Ökonomen Joseph Schumpeter zu lesen, um zu erkennen, welche besondere Rolle die Grundlagenforschung für die Ökonomie habe.

Auch in Hochschulfragen habe er keine Vorbehalte gegen Mitterlehner, so Töchterle: „Aber natürlich hat er bei weitem nicht die Expertise, die ich hatte. Das ist aber klar, ich war ja Jahrzehnte an der Uni tätig und lange Rektor. Wenn man davon ausgeht, dass Expertise nützlich ist bei der Führung eines Ressorts, ist eine gewisse Reduktion eingetreten. Wenn er aber gute Leute holt, kann man das kompensieren. Wenn man meint, dass ein Minister nicht nur Repräsentant ist, sondern jemand, der Dinge auch verstehen muss, muss er sehen, dass er sich Expertise holt.“

Töchterle verdrängt Hörl aus Nationalrat

Sein Nationalratsmandat will Töchterle annehmen. Das sei er den Wählern gerade wegen seiner zahlreichen Vorzugsstimmen schuldig. Auch als Wissenschaftssprecher stehe er zur Verfügung: „Ich dränge mich aber nicht auf.“ Der langjährigen Nationalrat Franz Hörl (ÖVP) aus Gerlos verliert durch den Verbleib Töchterles seinen Sitz im hohen Haus.

Das von ihm für die ÖVP hauptverantwortlich verhandelte Regierungsprogramm im Wissenschaftsbereich verteidigte der scheidende Minister: Natürlich sei es ein Kompromiss einerseits mit der SPÖ und andererseits mit dem Machbaren. „Was da drin steht, damit kann man etwas anfangen.“ Als Beispiele nannte er die geplante Verbesserung der Betreuungsrelationen, den Fachhochschulausbau und die Nachwuchsförderung.

Märk: „Entscheidung nicht nachvollziehbar“

Auch Tilmann Märk, Rektor der Universität Innsbruck, zeigt sich über die Entscheidung überrascht: „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass Karlheinz Töchterle nicht mehr Wissenschaftsminister ist. Er hat eine hervorragende Performance hingelegt. Außerdem haben im Vorfeld der Regierungsbildung beide Parteien immer wieder den Stellenwert der Wissenschaft sehr betont. Wenn man jetzt erfährt, dass es für Forschung und Wissenschaft kein eigenes Ministerium mehr gibt, ist das für die Entwicklung dieses wichtigen Zukunftsthemas kein gutes Signal.“ Rat, Senat, Rektorat und die ÖH hätten geschlossen für die Erhaltung eines selbstständigen Forschungs- und Wissenschaftsministeriums plädiert. Lobend erwähnt Märk das ambitionierte Ziel der Regierung, bis 2020 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Hochschulen zu investieren.

Auch für die Rektorin der Medizinuniversität Innsbruck, Helga Fritsch, ist die Abschaffung eines eigenen Wissenschaftsministeriums bedenklich: Das ist keine Zukunftsorientierte Botschaft für die engagierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Österreich und Tirol. Die Einsparung des Ministeriums könnte sich möglicherweise dahingehend auswirken, dass die Forschung ökonomisiert wird und die Sichtbarkeit von Forschung und Wissenschaft geht verloren.“

ÖH: Entsetzt über Abschaffung des Ministeriums

Die Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) an der Universität Innsbruck ist über die Entscheidung das Wissenschaftsministerium abzuschaffen, zutiefst erschüttert. „Das Signal, welches durch die Streichung des Wissenschaftsministerium vermittelt wird, ist erschreckend“, zeigt sich der Vorsitzende der ÖH Innsbruck, Florian Heiß (AktionsGemeinschaft) entsetzt.

„Bildung ist Zukunft, die ein Land wie Österreich braucht. Sie darf kein Zulieferungsprozess für die Wirtschaft sein, daher ist es mir unverständlich, warum man die wichtigen Agenden des Wissenschaftsministeriums zu einem Anhängsel des Wirtschaftsministeriums degradiert“, führt Heiß weiter aus.

„Im Regierungsprogramm der Koalitionsparteien - SPÖ und ÖVP - wird das Thema Hochschulbildung in wenigen Sätzen abgetan, neue Ideen sind darin kaum bis gar nicht zu finden. Das traurige Spiel rund um die Universitäten nimmt somit wieder gekonnt seinen Lauf“, betont Heiß und merkt noch dazu an: „Dass man Österreich international an die Spitze führen möchte, zugleich aber das Ministerium streicht, gleicht einem schlechten Scherz.“

Tirols Industrielle: „Bitter enttäuscht“

Die Tiroler Industriellenvereinigung (IV) hat sich am Freitag von der Ablöse des bisherigen Wissenschaftsministers Karlheinz Töchterle „bitter enttäuscht“ gezeigt. „Offenbar ist intellektuelle Brillanz in dieser Regierung nicht gefragt“, kritisierte Präsident Reinhard Schretter in einer Aussendung am Freitag. „Die Aufgabe eines eigenständigen Wissenschaftsministeriums ist ein vollkommen falsches Signal“, meinte der Tiroler Industriepräsident. Dem offenkundigen Zwang zum Kompromiss seien auch „weitere zukunftswichtige Themen“ zum Opfer gefallen.

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