Krankheitsverlauf liegt an den Genen
Herpes ist ein Virus, das so gut wie jeder meist ohne jegliche Symptome in sich trägt. Die Infektion bricht oft auch mit harmlosen Fieberbläschen aus. In seltenen Fällen - etwa bei einem von 10.000 Kindern - kann eine gefährliche Gehirnentzündung entstehen, sagt der Kinderarzt und Biochemiker Jean-Laurent Casanova: „Unsere Studien haben bewiesen, dass diese Kinder einen genetischen Defekt in sich tragen, der verhindert, dass die Nervenzellen im Gehirn den Herpesvirus bekämpfen können. Diese durch den Virus ausgelöste Gehirnentzündung ist also die Folge eines angeborenen Fehlers im Immunsystem.“
Genveränderung macht für Infektion empfänglich
Dem Kinderarzt gelang es, eine neue Gruppe von Genveränderungen zu beschreiben, die eigentlich gesunde Kinder für bestimmte Infektionen empfänglich machen. Neben Herpes-Enzephalitis wurden unter anderem eine seltene chronische Pilzinfektion und invasive Pneumokokken Erkrankungen identifiziert, sagt Casanova: „Es sieht so aus, als ob fast jede Infektionskrankheit, zumindest jede von uns untersuchte Infektionskrankheit, auf einen angeborenen Gendefekt im Immunsystem zurückzuführen ist.“
Medizinuniversität Innsbruck
Auch wenn man die molekular-genetischen Ursachen der seltenen Infektionskrankheiten nicht bekämpfen kann, seien die Erkenntnisse für die Kindermedizin wichtig, so Casanova: „Als erstes verstehen wir jetzt das Warum, und das ist für Ärzte und Eltern wichtig. Zweitens können wir Geschwister oder Cousins von mit dem Gendefekt betroffenen Kindern untersuchen und so abschätzen, ob bei ihnen auch das Risiko einer Gehirnentzündung besteht.“
Prophylaktische Medikamentengabe
Die Studienergebnisse seien zudem Basis für die Entwicklung neuer Therapieformen: „Ein an Herpes-Enzephalitis erkranktes Kind, bei dem der Gendefekt nachgewiesen wurde, bekommt neben den üblichen Medikamenten zusätzlich Interferon, weil genau davon im Gehirn zu wenig gebildet wird. Man kann sogar versuchen, Gehirnentzündungen zu verhindern, indem man von Geburt an prophylaktisch ein Medikament verabreicht, bis das Kind mit dem Herpesvirus in Kontakt gekommen ist. Dann sollte die Krankheit hoffentlich nicht ausbrechen.“
Jean-Laurent Casanova betont, dass seine Forschung noch in den Anfängen stecke. Für seine Arbeit wurde er jedenfalls mit dem renommierten Ilse- und Helmut-Wachter-Preis der Medizinuniversität Innsbruck ausgezeichnet.