Südtirols kleine Gletscher schwitzen

Um täglich acht Zentimeter geht die Schneedecke in den Höhenlagen Südtirols derzeit zurück. Da die Südtiroler Gletscher eher klein und isoliert sind, sind sie durch die Klimaerwärmung besonders gefährdet.

In diesem Jahr schien der Winter in Südtirol nahtlos in den Sommer überzugehen. Die Erinnerung an die Unmengen Schnee war noch ganz frisch, da herrschten schon im April tagelang Temperaturen über 20 Grad. Und auch wenn auf Südtirols Bergen heuer soviel Schnee wie schon seit Jahren nicht mehr gefallen ist und die Landschaft oberhalb von 1.800 Metern auch jetzt noch tief verschneit ist, muss das für Gletscher kein Aufatmen bedeuten.

tief verschneite Berglandschaft oberhalb von 1.800 metern, mit vielen Gipfeln, die teils im Nebel sind

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Schneebedeckte Gipfel am Schnalser Gletscher täuschen: die Gletscher gehen weiter zurück

Schneereicher Winter könnte nichts bewirken

„Es könnte sein, dass der schneereiche Winter gar nichts bewirkt“, erklärt Marc Zebisch, Projektleiter des Klimareports, den das Bozner Forschungszentrum Eurac jedes Jahr erstellt. „Wenn wir einen heißen Sommer bekommen, der Schnee auf den Gletschern wegschmilzt und die Gletscher dann wie letztes Jahr extrem aper sind, dann werden wir ein ganz normales Jahr haben, und ganz normal heißt, dass der Gletscher an Masse verliert.“ Denn Südtirols Gletscher schrumpfen unaufhörlich, Ausnahmen waren lediglich die Jahre 2000/01, 2012/13 und 2013/14, in denen auf den Südtiroler Gletschern ein leichter Massenzuwachs verzeichnet wurde.

Ein aperer, also nicht schneebedeckter, Gletscher verliert deshalb mehr an Eismasse, weil seine dunkle Farbe eine etwa achtmal geringere Rückstrahlung der Sonne bedingt, während ansonsten die weiße Schneedecke den Gletscher vor Schmelze schützt.

Südtirols kleine Gletscher besonders gefährdet

Gletscher bedecken in Südtirol ca. 90 Quadratkilometer Fläche, deutlich weniger als in Tirol. Zudem sind die Südtiroler Gletscher eher klein und isoliert. Daher sind sie durch die Klimaerwärmung besonders gefährdet. Am Langtauferer Ferner im Vinschgau haben sich die Eismassen in den letzten 20 Jahren zum Beispiel um eineinhalb Kilometer zurückgezogen. Insgesamt ist die Fläche der Gletscher in Südtirol von 1983 bis 1997 in Folge der Erwärmung um 19,7 Prozent zurückgegangen, in den Jahren 1997 bis 2006 um weitere 11,9 Prozent.

sich zurückziehender Gletscher von oben aufgenommen

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Der Civedale-Gletscher, gesehen von Marteller Seite aus

Die ungewöhnlichen Sommertemperaturen lassen die Gletscher jetzt schon schwitzen. Bei 28 Grad im Tal verliert die Schneedecke auf den Bergen derzeit täglich acht Zentimeter. Die Flüsse führen viel Schmelzwasser. Klimaforscher Zebisch nennt es aber auch Glück, dass es derzeit so warm ist, dadurch sinke die Gefahr für späteres plötzliches Hochwasser.

Global warmer Winter

Der viele winterliche Niederschlag widerlege nicht den Klimawandel, sagen die Experten, die den EURAC-Klimareport 2018 verfasst haben. Wenn auch die Schneemengen in Südtirol heuer außergewöhnlich waren, die Temperaturen waren es global gesehen nicht. In vielen Teilen der Welt waren sie sogar sehr hoch: In Grönland wurden im Februar 20 Grad mehr gemessen als gewöhnlich.

Marc Zebisch vom EURAC-Institut für Erdbeobachtung erklärt: „Im März hatten wir in Südtirol teils minus 30 Grad auf den Berggipfeln, aber zur selben Zeit herrschten in Grönland Plusgrade, in Kapstadt ging das Wasser aus und in Australien gab es Buschfeuer. Ganz lokal hat uns eine kalte Strömung aus Russland einen eisigen März beschert, aber global war dieser Winter viel zu warm.“

Link:

Klimareport 2018 der EURAC