Hunde mit (dunkler) Vergangenheit

Auf dem Foto im Internet sieht der Vierbeiner unwiderstehlich aus. Genau so einen haben Sie gesucht. Einen Hund zu übernehmen, ohne zu wissen, wie er aufgewachsen ist und wie er bisher gelebt hat, bringt manchmal aber ein böses Erwachen.

Waren die Elterntiere gesund, ist der Hunde gequält oder vernachlässigt worden, ist er überhaupt an Menschen gewöhnt? Weil es so viele unbekannte Faktoren gibt, könnte es im Zusammenleben zwischen Hund und Mensch später vielleicht Schwierigkeiten geben, sagt Caroline Burchell, Hundetrainerin in Innsbruck und Obfrau des Vereins Joy und Co.

Großer weißer Hund liegt auf einer Terrasse

Verein Joy und Co

Endlich angekommen: Luna ist ein türkischer Herdenschutzhund und kam als Welpe über eine Tierschutzorganisation nach Tirol. Nach mehreren Stationen lebt sie nun glücklich in Igls.

Der Hund als Überraschungspaket

„Übernimmt man einen Hund von einer Organisation, die zum Beispiel Tiere aus Tötungsstationen im Ausland vermittelt, ist es selten möglich, ihn vorher zu sehen und kennen zu lernen,“ gibt Caroline Burchell zu bedenken. Schon bevor man ihn zum ersten Mal streicheln kann, muss man zusagen. Da fehlen oft wichtige Informationen. Man bekommt sozusagen ein Überraschungspaket. Das kann für beide Seiten ein Glücksfall sein, oder Probleme bereiten. Burchell empfiehlt, sich nur an seriöse Organisationen zu wenden. Vielleicht gibt es im Freundes- und Bekanntenkreis bereits Erfahrungen. Hunde aus dem Kofferraum oder von Internetplattformen zu kaufen, sei für sie tabu. „Damit vermehrt man nur das Leid mit illegalem Welpen- und Tierhandel.“

Was ist richtig oder falsch?

Man würde den Hunden Unrecht tun, wenn man ein Verhalten verurteilt, das sie von Klein auf in ihrer damaligen Lebenswelt angenommen haben. Aber zwischen einem Straßenhund in Bulgarien und einem adretten vierbeinigen Begleiter durch die Innsbrucker Innenstadt ist es halt doch ein weiter Weg. Aus Sicht des Hundes gibt es kein falsches Verhalten. Der Hund reagiert so, wie es in seiner Welt überlebensnotwendig und zweckmäßig war. Nur für uns Menschen ist es dann mitunter ein unerwünschtes Verhalten.

In seinem früheren Leben musste der Vierbeiner Menschen vielleicht meiden, weil er von ihnen mit Steinen verjagt wurde. Nun soll er plötzlich mit in die Straßenbahn, muss in der Fußgängerzone ruhig bleiben und darf in einem Restaurant keinen Mucks von sich geben. „Da gibt es viel, das so ein Vierbeiner lernen muss.“ Und das geht nur Schritt für Schritt.

Weiß schwarzer Hund im Schnee

Verein Joy und Co

Murphy ist ein Terrier-Mix aus einem Tierheim in Ungarn. Mit seiner Tiroler Familie verstand er sich auf Anhieb. Ein echter Glückstreffer!

Das Wesen nicht verbiegen

Man kann den Charakter eines Hundes nicht einfach umdrehen, betont die erfahrene Trainerin. „Ein Herdenschutzhund wird sich benehmen wie ein Herdenschutzhund, weil das über Jahrhunderte so in sein Wesen hineingezüchtet wurde.“ Nur weil sich die Lebenswelten geändert haben, ist der Hund nicht plötzlich ein anderer. Wer sich bewusst für eine bestimmte Rasse entscheidet und sich dafür einen verantwortungsvollen Züchter sucht, weiß ziemlich genau, auf was er sich einlässt. Ein Mischling mit unbekannter Herkunft lässt sich schwerer einschätzen.

Portrait eines schwarzen Hundes im Schnee

Verein Joy und Co

Lenny ist ein Schäfer-Labrador Mix Rüde. Er kam über eine Tierschutzorganisation als Angsthund aus einer Hundeauffangstation in Bosnien. Er hatte furchtbare Angst vor Menschen. Heute spaziert er mit seinem Frauchen vertrauensvoll mitten durch Innsbruck.

Sendungshinweis:

„Radio Tirol am Vormittag"
25. 3. 2017 ab 10.00 Uhr

Alte Muster behutsam verändern

Tritt ein nicht zu erklärendes Verhalten an den Tag, ist es am besten mit einer Trainerin oder einem Trainer alte Verhaltensmuster behutsam zu überschreiben. Ganz wird das aber nie gelingen, meint Caroline Burchell. "In einer Stress-Situation werden bisherige Verhaltensweisen ganz oder teilweise wieder hervortreten.“

Als Beispiel nennt sie einen Hund, der überaus aggressiv auf Männer mit Stöcken reagiert. In seinem früheren Leben wurde er von Männern mit Stöcken vielleicht geschlagen. Wie soll der Hund nun wissen, dass der ältere Herr mit dem Spazierstock ihm nichts böses will? "Hier muss man die negative Erfahrung in eine positive ummünzen. Das geht zum Beispiel mit Leckerlis, die immer dann von Frauchen oder Herrchen gegeben werden, wenn ein Mann mit einem Stock auftaucht. Irgendwann lernt der Hund, dass ein Mann mit Stock nicht eine Bedrohung, sondern eine gute Erfahrung bedeutet. Aber das dauert seine Zeit. Und bei Stress oder einer unvorhersehbaren Situation wird die alte Aggression vielleicht wieder hervortreten. „Da braucht man als Mensch Geduld und Konsequenz,“ erklärt Caroline Burchell.

Vom Straßenhund zum Citydog

Lässt sich aus einem Straßenhund, der in Griechenland zuhause war, ein Innsbrucker Stadthund machen? Unmöglich sei das nicht, sagt Hundetrainerin Caroline Burchell vom Verein Joy und Co. Aber es braucht Zeit und Hundeverstand des Zweibeiners. „Es gibt Rudel von Straßenhunden, die den Hinterhof einer Fabrik nie verlassen haben. Sie haben also nie in einer menschenlosen Steppe in der Wildnis gelebt.“ Man muss also keine Angst haben, dass man dem Bewegungsdrang eines solchen Hundes nicht gerecht werden kann. "Wenn man mit ihm drei Stunden am Tag unterwegs ist, ihn auch geistig fordert und fördert, wird er zufrieden sein. „Hunde leben im Hier und Jetzt und nicht in der Vergangenheit,“ betont die Trainerin. Zehnminütige Gassi-Touren auf dem Grünstreifen reichen allerdings keinem Hund, egal wo er her ist.

Hundetrainerin Caroline Burchell, aus Innsbruck

Caroline Burchell

Caroline Burchell vom Verein Joy und Co arbeitet immer wieder erfolgreich mit Hunden, deren Vergangenheit im Dunkeln liegt

Überraschung mit Happy End

Wer sich für einen Hund mit unbekannter Vergangenheit entscheidet, braucht sich nicht auf Problemsuche begeben. Es hilft aber, wenn notwendig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Lob und Bestätigung sind das Mittel der Wahl, nicht Drill, Strafe oder gar Gewalt. Zum Glück gibt es unzählige positive Beispiele für die Liebe auf den ersten Blick. Egal was vorher war.

Lydia Gallo Gau; tirol.ORF.at

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