Amphibienschutz in Tirol
Amphibien sind in zwei Welten zu Hause. Zu Lande und zu Wasser - und doch gibt es immer weniger Lebensräume für sie. Sie zu schützen ist im Tiroler Naturschutzgesetz nicht nur vorgeschrieben, die Artenvielfalt zu erhalten sollte schließlich Ziel von uns allen sein, die sich ein lebenswertes und naturnahes Tirol wünschen, findet der Zoologe Florian Glaser. In seinem technischen Büro für Biologie in Absam ist einer seiner Schwerpunkte der Amphibienschutz.

Andi Moosbrugger
Laubfrösche sind in Tirol selten geworden
Zu wenig Lebensraum
Laubfrosch, Erdkröte, Bergmolch und Alpensalamander und viele mehr Amphibienarten sind in Tirol noch zu beobachten. Ihre Bestände gehen aber ohne gezielte Maßnahmen zurück. Einige Arten sind schon fast ausgestoben. Die Welt der Menschen lässt ihnen zu wenig Platz. „Wenn wir uns das Inntal noch vor 100 Jahren vorstellen, hat sich viel verändert. Feuchtgebiete, Auen, Sümpfe und stehende Gewässer sind zurückgegangen. Wege, Straßen, Bahnlinien und Siedlungsgebiete durchschneiden die Lebensräume der Amphibien,“ erklärt Biologe Florian Glaser.
Die letzten Kreuzkröten
Besonderen Schutz genießt in Tirol die Kreuzkröte. Gut erkennbar ist der helle Strich, der sich über den ganzen Rücken der Kröte zieht. Nur noch an einem einzigen Lebensraum in Tirol ist sie zu finden, nämlich im Außerferner Lechtal. "In ganz Österreich gibt es diese besonders hübsche Krötenart nur mehr dort und an einem Standort im Waldviertel. Im Lechtal werden die letzten Exemplare mit Argusaugen bewacht, sie sind in einem Monitoring-Projekt streng geschützt.

Andi Moosbrugger
Sie sind akut vom Aussterben bedroht: die Kreuzkröten. In Tirol gibt es sie nur noch im Lechtal
Der Tod auf den Straßen und anderswo
Frösche und Kröten kehren zur Laichzeit an ihren Geburtsort zurück. Dabei legen sie oft eine Strecke von mehreren Kilometern zurück. Bei den Wanderungen zu ihren Laichplätzen im Frühjahr, die über Straßen, Bahnlinien und durch Siedlungsgebiete führen, sterben jedes Jahr tausende Tiere. Auf dem Rückweg wird ihre Zahl dann weiter dezimiert. Die meisten werden überfahren. Ihre plattgedrückten kleinen Körper sind massenweise auf dem Asphalt zu sehen und bieten ein trauriges Bild. Die Arbeit von Freiwilligen im ganzen Land, die ihre Freizeit für das Überleben von Fröschen, Kröten und Lurchen einsetzen ist unbezahlbar, sagt Florian Glaser.
Es gibt aber auch Gefahren für Amphibien, an die man zunächst gar nicht denken würde. So werden Weideroste häufig zu tödlichen Fallen. In dem Projekt „Entschärfung von Weiderosten als Amphibienfalle“ wurde eine preisgünstige und fexibel montierbare Ausstiegshilfe nach dem Prinzip einer Lochblechleiter entwickelt. Diese Amphibien-Leiter kann mit geringem Aufwand in bestehende Weideroste eingebaut werden. Die Materialkosten übernimmt das Land Tirol aus Mitteln des Naturschutzfonds.

Andi Moosbrugger
Amphibienschutzzäune verhindern, dass Frösche und Kröten bei ihren Wanderungen auf Straßen und Wege gelangen und überfahren werden. Hier im Schotterwerk Breitenwang
Sichtungen bitte melden:
Für den Amphibien-Artenschutz ist es sehr wichtig, dass Beobachtungen gemeldet und dokumentiert werden. Entsprechende Hinweise nimmt das Tiroler Landesmuseum entgegen.
Die Amphibien-Lebensretter
In ganz Tirol engagieren sich Naturfreunde für den Schutz der Amphibien. Einer davon ist zum Beispiel der Lechtaler Andi Moosbrugger. Im Naturpark Lech arbeitet er seit 2004 für verschiedene Artenschutz-Projekte, derzeit vor allem für die Kreuzkröte. Er erfasst die Bestände, legt Gewässer an und betreut sie, errichtet Amphibienzäune, füllt ausgetrocknete Teiche mit Wasser und vieles mehr. 240 bis 430 Stunden investiert der Berufsjäger in den Artenschutz.
Im Sellrain sind Waltraud und Toni Kuen aktiv. Während der Wanderungen der Kröten und Frösche bauen sie Amphibienzäune oder fangen die Tiere in Kübeln, zählen und dokumentieren sie und setzen sie auf der anderen Straßenseite an sicherer Stelle wieder aus. Auch Ufer im Bachbett im Amphibienbereich halten die beiden unermüdlich sauber. Nach der Wanderungszeit leiten die Kuens die Daten an das zuständige Amt für Umweltschutz weiter.
Amphibienschutz im eigenen Garten
Aber auch wer sich nicht so aktiv im Amphibienschutz engagiert, kann einiges tun. Einen amphibienfreundlichen Garten anlegen, zum Beispiel mit einem Teich. "Ein amphibienfreundlicher Garten ist ein naturnaher Garten. Das wichtigste ist aber auf Spritzmittel, vor allem auf das in Privatgärten leider immer noch gängige „Roundup" zu verzichten,“ sagt Florian Glaser. Wenn der Lebensraum passt, wandern Amphibien von alleine zu. „Sozusagen als Dankeschön für den Gärtner fressen Kröten dann zumindest die kleinen roten Nacktschnecken.“
Fische und Amphibien stellen so unterschiedliche Ansprüche an ihren Lebensraum, dass sie nicht zusammenpassen. Wer im Garten Amphibien fördern will, hat keine Fische im Gartenteich. Und setzt Fische aus dem Teich auch keinesfalls in wilde Gewässer aus. Auch das Entnehmen von Amphibien aus der Natur in den eigenen Garten kann durch die Übertragung von Pilzkrankheiten fatale Folgen für ganze Bestände haben. Außerdem überleben „entführte“ Amphibien im neuen Lebensraum dann oft nicht.

Andi Moosbrugger
Der Kamm-Molch ist noch seltener als die Kreuzkröte. Ihn zu sehen ist ein echter Glücksfall
Schottergruben als Lebensraum?
Wir Menschen haben den Amphibien viel von ihrer natürlichen Umgebung genommen. Aber manchmal überraschen sie uns auch mit ihrer Wahl. Schottergruben gelten nicht gerade als naturnahe Lebensräume. Aber ausgerechnet Amphibien lieben sie geradezu, denn sie brauchen offene Böden. „Zumindest dann, wenn auf diese Lebewesen etwas Rücksicht genommen wird,“ erklärt Florian Glaser. Ein positives Beispiel gibt es in Terfens. Bagger und Kröten finden hier sozusagen ein gutes Miteinander.
Sendungshinweis:
„Radio Tirol am Vormittag"
7. 5. 2016 ab 10.00 Uhr
Es stimme übrigens nicht, dass Kröten, Frösche und Lurche große Bauvorhaben in Tirol verhindern würden. "Da sagen manche, es seien die Viecher wichtiger als die Menschen. Das ist natürlich Unsinn. Immer wieder wird ein solches Argument bei Bauverzögerungen vorgeschoben. In Wirklichkeit haben sich Bauwerber und Planer schlecht vorbereitet und die gesetzlichen Vorgaben für Natur- und Umweltschutz nicht berücksichtigt,“ gibt Florian Glaser zu bedenken.

Florian Glaser
Biologe Florian Glaser bei der Arbeit. Die Vorkommen der Amphibien in Tirol werden genau dokumentiert
Keine Küsse für den Frosch
Weil Amphibien sich mit Giftstoffen auf ihrer Haut vor Fressfeinden schützen, sollten sie nicht angefasst werden. Geküsst werden Frösche ohnehin nur im Märchen. Wer ihre Rufe, ihr Unken und Quaken aber unterscheiden kann und mit offenen Augen durch Wälder und Auen streift, wird die interessanten Tiere zu Gesicht bekommen. Es ist ein wunderbares Naturerlebnis, sie zu entdecken und sie zu beobachten. Haben Sie schon einmal einen Alpensalamander in freier Natur gesehen?
Lydia Gallo Gau; tirol.ORF.at