Raben und Krähen - die dunklen Gesellen

Jetzt im Spätherbst sehen wir sie in Scharen am Himmel. Beinahe unheimlich erscheinen sie mit ihrem krächzenden Geschrei in der Dämmerung, wie Boten des Bösen. In Wirklichkeit sind Raben und Krähen kluge, liebevolle und treue Gefährten.

Ihr glänzendes lackschwarzes Gefieder, ihre aufmerksamen glitzernden Augen und der besonders kräftige Schnabel sind ihr Markenzeichen. Raben und Krähen begegnen wir in Tirol fast täglich und überall - auch wenn sie gar nicht so leicht auseinander zu halten sind. Christiane Böhm, Leiterin der wissenschaftlichen Abteilung des Innsbrucker Alpenzoos: „Auch wenn uns ihr Geschrei nicht gerade entzückt, Raben und Krähen sind die größte heimische Singvogelart.“

Auf den Feldern sehen wir meist die kleineren Saatkrähen. Seltener sind die Kolkraben. Sie sind deutlich größer und haben einen markanten kantigen Kopf. Im Flug sehen wir ihre rautenförmigen Schwanzfedern. Die der Krähen sind gerade, erklärt Christiane Böhm die deutlichsten Unterschiede. In den Bergen begegnen uns die Dohlen. Aber auch Eichel- und Tannenhäher gehören zu den Rabenvögeln.

Kolkrabe auf einem Ast

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Eine imposante Erscheinung: ein Kolkrabe in seiner ganzen Pracht.

Scharenweise Krähen

In Tirol hat manch einer den Eindruck, als hätten die Krähen sich geradezu explosionsartig vermehrt. Schuld wird den Gemüsefeldern und großen Kompostanlagen gegeben. In deren Nähe kann es tatsächlich sein, dass sich Schwärme von Krähen versammeln, sagt Christiane Böhm. Krähen und Raben sind Allesfresser und freuen sich über einen reich gedeckten Tisch, den der Mensch ihnen hinterlässt. In der Stadt sind ausgeräumte Müllkübel keine Seltenheit, weil die Vögel Essensreste darin finden.

Krähen im Baum bei Vollmond

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Ein Bild wie aus einem Film: Krähen in ihrem Schlafbaum bei Vollmond.

Nesträuber und Plünderer

Krähen und Raben ernähren sich allerdings auch von Aas. Außerdem sind sie Nesträuber und plündern durchaus die Gelege von anderen Singvögeln, teilweise gehören auch kleinere Vögel zu ihrer Beute. Sie für die schwindende Zahl an Singvögeln verantwortlich zu machen, ist allerdings nicht gerechtfertigt, sagt die Vogelkundlerin Christiane Böhm. Das muss schon der Mensch auf seine Kappe nehmen. „Auf ihrem Weg in südliche Länder werden Singvögel zu Millionen mit Netzen gefangen und getötet. Bei uns verschwinden zunehmend Nistmöglichkeiten, weil Büsche und Bäume gefällt werden. Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft lässt ihre Nahrung, die Insekten verschwinden. Der Rückgang der Singvögel hat viele komplexe Gründe. Krähen und Raben tragen jedenfalls keine Hauptschuld daran,“ ist sich Christiane Böhm mit anderen Experten einig.

Dr. Christiane Böhm, Leiterin der Forschungsabteilung im Innsbrucker Alpenzoo

privat

Begeisterte Vogelbeobachterin: Christiane Böhm vom Innsbrucker Alpenzoo.

Liebevolle Rabenmütter und treue Partner

Kolkraben sind wesentlich seltener und imposanter als Krähen. Ihr kantiges Gesicht und das spitze Schwanzende machen sie auch für den Laien erkennbar. Sie, aber auch die anderen Krähenvögel sind liebevolle Eltern und treue Gefährten für ein ganzes Leben. Kolkraben werden bis zu 30 Jahre alt. Haben sie ihren Partner gefunden, bleiben sie fast immer ein ganzes Leben zusammen. Stirbt ein Lebensgefährte, trauert der andere sichtlich und bleibt meist allein.

Rabenmütter sind alles andere als schlechte Mütter. Beide Elterntiere versorgen ihre Jungen mit großem Aufwand. Sogar wenn eines aus dem Nest fällt, versuchen sie, es noch aufzuziehen. Das Nest selbst wird todesmutig verteidigt. Sie zögern nicht, auch große Greifvögel anzugreifen, wenn sie ihren Jungen zu nahe kommen.

Die dunklen Schwärme im Nebel

Auffallend sind im Spätherbst und im Winter die großen Schwärme von Krähen, die sich lautstark am dämmrigen Himmel zeigen. Der Grund ist einfach und hat nichts mit einem dunklen Geheimnis zu tun, erklärt Christiane Böhm. "Vom Frühjahr bis zum Herbst leben die Vögel mit ihren Familien in streng verteidigten Revieren. Sind die Jungen flügge, lösen sich diese Reviere auf. Die Vögel schließen sich zu teils großen Schwärmen zusammen und suchen sich gemeinsam einen geeigneten, sicheren Schlafplatz. In Wien in der Nähe des Tiergartens Schönbrunn fliegen sie zu Tausenden ein, aber auch in Innsbruck bei den großen Platanen in der Nähe des Congress sehen wir Hunderte, quasi auf dem Weg in den Feierabend.

Saatkrähe mit Nuss

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„Wer knackt mir jetzt die Nuss?“ Dieser Saatkrähe fällt bestimmt etwas ein.

Sendungshinweis:

„Radio Tirol am Vormittag"
29. 11. 2014 ab 10.00 Uhr

Klug und clever in jeder Lebenslage

Raben und Krähen gelten als überaus klug, können auch komplexere Gedankengänge verfolgen und sich sogar in Artgenossen hineinversetzen. Es sind echte Charaktervögel. Das zeigen vor allem jene, die in Ausnahmefällen von Hand aufgezogen werden. Jakob, der alte Kolkrabe im Alpenzoo war weit über Tirol hinaus bekannt für seinen deftigen Dialekt. Versuche mit Rabenvögeln haben gezeigt, dass sie Artgenossen sogar etwas vorspielen können, um sie von ihrem Futter abzuhalten. In dieser Jahreszeit sehen wir sie geschickt beim Nussknacken. Entweder werfen sie die Nuss aus großer Höhe auf den Asphalt, damit die harte Schale zerspringt. Oder sie warten einfach, bis ein Auto über die Leckerei fährt und so das köstliche Innere zum Vorschein kommt. Respekt, meine Damen und Herren im schwarzen Federkleid!

Auch wenn Sie den Raben und Krähen bisher skeptisch gegenüberstanden. Nehmen Sie sich doch einfach einmal Zeit, um diese interessanten Vögel zu beobachten. Sie können allerdings sicher sein, dass die Schlaumeier es recht bald bemerken und vorsichtig werden, wenn Sie sie zu ungeniert anstarren. Das müssen Sie schon etwas unauffällig anlegen. Vielleicht sehen Sie die dunklen Gesellen dann schon bald mit anderen Augen.

Lydia Gallo Gau; tirol.ORF.at

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