Die Beziehung zwischen Mensch und Tier
Es gibt Fragen, die schwer zu beantworten sind: Warum bricht für viele eine Welt zusammen, wenn ein geliebtes Haustier nach gemeinsam erlebten Jahren stirbt? Warum lässt es gleichzeitig so viele Menschen kalt, wenn Millionen von Nutztieren unter nicht artgerechter Haltung leiden müssen, um schließlich unter unwürdigen Bedingungen von Maschinen geschlachtet zu werden? Warum sind die Fangmethoden der industriellen Fischerei so zerstörerisch, dass die Meere bald zu toten Gewässern werden könnten?
Der Innsbrucker Verhaltensbiologe, Michael Zechmann, der derzeit an seiner Dissertation über Tier-Ethik am Institut für Philosophie schreibt, sagt: „Je persönlicher ein Tier für einen Menschen ist, also zum Beispiel der eigene Hund oder die Katze, desto mehr liegt sie der Person am Herzen. Zu einem Rind, einem Schwein oder einem Huhn haben die wenigsten eine persönliche Beziehung. Deshalb ist vielen auch egal, wie sie gehalten und geschlachtet werden.“

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Viele Haustiere werden von ihren Menschen über alles geliebt, sie sind Familienmitglieder.
Der Irrtum über den Menschen als Über-Tier
Vor allem in den vergangenen Jahren hat die Forschung viel über Sprachfähigkeit, Intelligenz und Gefühlsleben von Tieren herausgefunden. Es wird immer klarer, dass der Mensch Tiere bei weitem unterschätzt hat, was all diese Fähigkeiten anbelangt. Katzen können lügen, Hunde können Verletzungen vortäuschen, Tintenfische können Dosen öffnen, Affen können Tierfallen unschädlich machen und gefangene Artgenossen befreien. Noch mehr Beispiele gefällig? Michael Zechmann erzählt von seiner Forschung:
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Papageien können die Sprache der Menschen nachahmen. Und was verstehen sie?
Forschungen zeigen, dass manche Tierarten sehr wohl über eine komplexe Sprache mit eigener Grammatik, Mimik und Gestik verfügen. Tiere können Aufgaben lösen, Werkzeuge benutzen und sogar selbst herstellen, so Michael Zechmann. Sie können Zusammenhänge erkennen und zeigen Gefühle wie Trauer oder Freude, Angst oder Zufriedenheit. Das wirft zunehmend die Frage auf, wie der Mensch dazu kommt, sich als Wesen über alle anderen zu stellen. „Noch hat sich an dieser Einstellung nicht viel geändert, aber ich glaube, das wird in naher Zukunft stärker der Fall sein,“ sagt der Verhaltensbiologe. Das relativ junge Forschungsfeld der Human-Animal-Studies an der Innsbrucker Universität beschäftigt sich mit vielen dieser Fragen.

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Für unsere Haustiere tun wir alles, sie dürfen auch einiges kosten. Nahrungsmittel aus Tierproduktion sollen dagegen möglichst billig sein.
Zuneigung und Gleichgültigkeit
Obwohl die wenigsten Tirolerinnen und Tiroler mit Delphinen oder wilden Elefanten jemals zu tun haben werden, genießen diese Tiere auch aus der unpersönlichen Ferne Respekt, Ehrfurcht und Zuneigung. Für ein Rind, ein Schwein oder ein Huhn interessiert sich der Großteil der Menschheit nur, wenn es fertig zubereitet auf dem Teller liegt. Michael Zechmann erklärt sich diese Distanz so: "Der Prozess der Schlachtung eines Tieres ist aus dem Alltag eines Menschen, außer er ist Landwirt, völlig herausgenommen. Die wenigsten werden in ihrem ganzen Leben auch nur einmal beim Schlachten eines Tieres dabei sein. Von Bildern der industriellen Massentötungen unserer Fleischtiere wenden sie sich entsetzt ab. Würden Menschen so wie früher, die Tiere, die sie essen, selbst schlachten, hätten sie zu ihnen ein ganz anderes Verhältnis, ist Zechmann überzeugt. Sie würden ihnen mit mehr Respekt und Achtung begegnen und würden auch besser für diese Tiere vor ihrem Tod sorgen.

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Woher unsere Lebensmittel kommen, wollen viele gar nicht wissen. Dabei liegt gerade das Wohl dieser Tiere in unserer Verantwortung.
Sendungshinweis:
„Radio Tirol am Vormittag"
8. 2. 2014 ab 10.10 Uhr.
Der Mensch schadet sich selbst
Menschen haben in ihrer Geschichte immer versucht, sich von anderen Lebewesen abzugrenzen und sich als etwas Besseres zu sehen. Sie sind dafür verantwortlich, dass ganze Tierarten von der Erde verschwunden sind oder in Kürze aussterben werden. Letztlich schaden sie sich damit aber nur selbst, erklärt Michael Zechmann. Wir müssen erkennen, dass industrielle Massentierhaltung nicht nur den Tieren, sondern uns selbst am meisten schadet. Das müssen wir auch unseren Kindern beibringen.“ Wenn Ökosysteme zusammenbrechen, rottet sich der Mensch selbst mit aus. Schließlich ist der Mensch auch nur ein Tier.

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Der Verhaltensbiologe Michael Zechmann von der Universität Innsbruck.
Mit vielen Fragen der Mensch-Tier- Beziehung beschäftigte sich der Kongress an der Universität Innsbruck, der heute Nachmittag zu Ende geht. Michael Zechmann hält den letzten Vortrag mit dem provokanten Titel „Stammt Gott vom Affen ab?“ Beginn ist um 15 Uhr im Hörsaal 3 der Universität Innsbruck.
Lydia Gallo Gau; tirol.ORF.at