Nutztiere - Tiere ohne Rechte?
Wiederkehrende Fleischskandale machen zunehmend auch Menschen sensibel, die eigentlich gerne tierische Produkte essen. Deshalb interessieren sich auch immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten für die Haltung von Nutztieren. Und auch die Frage, welche Bedürfnisse und Rechte diese Tiere haben, wird zunehmend gestellt.

Verein LIFE
Hallo Kälbchen! Wer zu Tieren eine Beziehung aufbaut, wird sie nicht nur als Stück Fleisch sehen können.
Von glücklichen Nutztieren
In Tirol haben wir das Glück, Nutztiere zumindest teilweise so zu sehen, wie es ihren Bedürfnissen entspricht. Im Sommer weidet das Vieh auf den Hochalmen, wir sehen große Schafherden auf den Wiesen und vereinzelt auch Hühner, die frei herumpicken, scharren und sandbaden dürfen. Schweine, die herumsuhlen, haben dagegen schon Seltenheitswert. Ein Laufstall mit einigermaßen Platz und frischer Einstreu wird durchaus als artgerecht empfunden. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns aber eingestehen, dass der Großteil des Fleisches und der Wurst nicht von Tieren stammt, die wir als glücklich bezeichnen würden.

Verein LIFE
Nutztieren kommen wir selten so nah. Wie wäre es, wenn wir uns näher mit ihnen beschäftigen würden?
Verein LIFE an der Uni Innsbruck
Die außerordentliche Professorin an der Universität Innsbruck, Dr. Gabriela Kompatscher, ist im Verein LIFE engagiert. Das ist die universitäre Interessengemeinschaft für Tierrechte, die vor zwei Jahren gegründet wurde. Zusammen mit der Obfrau Karin Schachinger und anderen Mitgliedern beschäftigt sie sich seit Jahren mit Fragen der Tierrechte. Der Verein organisiert Vorträge, Seminare und bietet viel Information. Sein Ziel ist es, Fragen der Tierhaltung und des Tierschutzes an die Uni zu bringen, erklärt Obfrau Karin Schachinger. „Das Interesse für unsere Veranstaltungen ist enorm“, sagt sie.
„Auch wenn wir in einem Land mit kleinstrukturierter Landwirtschaft leben, heißt das nicht, dass Nutztiere bei uns grundsätzlich ein gutes Leben führen“, merkt Vereinsmitglied Gabriela Kompatscher an. Laut Österreichischem Tierschutzgesetz müssen Rinder bei uns drei Monate im Jahr draußen gehalten werden. Den Rest verbringen sie meistens im Stall und zwar angebunden. In Tirol haben zwar viele Landwirte in große Laufställe investiert, Standard ist das aber noch nicht. Außerdem gibt es auch bei uns immer noch Ausnahmeregelungen, die erlauben, dass Rinder ganzjährig in Anbindehaltung stehen müssen.

Verein LIFE
Wie Nutztiere vor ihrer Schlachtung gelebt haben und wie sie gehalten wurden, spielt für Konsumentinnen und Konsumenten eine zunehmende Rolle.
Mutterkuhhaltung - was sonst?
Seit einigen Jahren wird die Mutterkuhhaltung bei uns stark beworben. Der kritische Konsument fragt sich allerdings, wie Kälber und Mutterkühe denn sonst gehalten werden und muss erfahren, dass sie in der herkömmlichen Milchkuhhaltung unmittelbar nach der Geburt von ihren Müttern getrennt werden. "Die Kälber sind das Nebenprodukt der Milchkuhhaltung. Dass die Trennung von Kuh und Kalb den Tieren Leid zufügt, ist sogar in Schriften aus dem Mittelalter belegt, sagt Gabriela Kompatscher. Jede Milchkuh kalbt in der Regel einmal im Jahr, damit sie Milch gibt. Jährlich werden in Tirol rund 75.000 Kälber geboren. Die kleinen Stiere bleiben nur wenige Tage in ihrem Heimatstall in Tirol, sie werden dann zur Mast meist nach Italien transportiert. Weibliche Tiere werden für die Zucht und als spätere Milchkühe aufgezogen.
Das Recht auf Leben
Kälber leben bis zu ihrer Schlachtung etwa zwölf Wochen, Ferkel und Lämmer maximal ein halbes Jahr. Masthühner werden werden nach vier bis fünf Wochen geschlachtet. Haben Nutztiere ein Recht auf eine Mindest-Lebensdauer? Nein, sie werden dann geschlachtet, wenn das Fleisch für den Menschen am besten schmeckt. Dass vor allem in der Fleisch-Werbung junge Tiere niedlich dargestellt werden und sie gleichzeitig nur als Schnitzel gesehen werden, stößt immer mehr Menschen vor den Kopf. Ihnen fällt es zunehmend schwer, auszublenden, dass die Tiere möglicherweise qualvoll gehalten wurden und unwürdig sterben mussten.
Das Tier in der Nahrungsindustrie
Industrielle Tierhaltung, egal ob in kleinen oder in großen Betrieben, spricht Tieren ihre Individualität ab und macht sie zu Dingen, erklärt Gabriela Kompatscher vom Verein LIFE. Als würden Nutztiere keine Angst empfinden, keinen Schmerz spüren und keinen Lebenswillen besitzen. Die Tötung dieser Tiere wird zum Großteil maschinell vorgenommen. Menschen, die mit der Massentötung von Tieren betraut werden, sind oft nicht in der Lage, das psychisch zu verkraften, sagt Kompatscher und nennt ein Beispiel. Als im Zuge der Vogelgrippe in China Millionen von Vögeln getötet werden mussten, wurden sie lebendig in Gruben geworfen, angezündet und zugeschüttet. Die Menschen, die diese Arbeit verrichteten, mussten monatelang psychologisch betreut werden, sagt Kompatscher aus ihr bekannten Berichten.
Sendungshinweis:
„Radio Tirol am Vormittag"
23.11.2013 ab 10.00 Uhr
Tierleid oder Fleischverzicht?
Alle Menschen zu Vegetariern oder Veganern zu machen, um Tierleid zu verhindern, ist eine Illusion. Der Mensch ist ein Allesfresser, wohlgemerkt aber kein reiner Fleischfresser. Ein bewussterer Umgang mit Nutztieren und deren Fleisch sowie eine Reduzierung des Fleischkonsums würden aber helfen, Tierleid zumindest einzuschränken, ist Kompatscher sicher. Sie selbst ernährt sich konsequent vegan. Sie könne das Leid von Tieren als Nahrungsmittel nicht wegblenden, sagt sie. Für den Verein hat sie ein Kochheft mit veganen Rezepten zusammengestellt.
Ethische und auch ökologische Aspekte der Tierhaltung werden von den Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend kritisch hinterfragt. Und zwar auch von jenen, die auf Fleisch und Wurst nicht verzichten wollen.
Lydia Gallo Gau; tirol.ORF.at