Eine Beinprothese, die der Betroffene spürt

Plastische Chirurgen aus Innsbruck und Südtirol haben für das Medizintechnik-Unternehmen „Saphenus“ eine Beinprothese entwickelt, die die Betroffenen „spüren“ sollen. Dadurch könne etwa ein Phantomschmerz gelindert oder ganz behoben werden.

Das österreichische Medizintechnik-Unternehmen „Saphenus“ hat mit einem Sensor-Schuh und einem System zur Weiterleitung sensorischer Informationen von der Fußsohle einer Beinprothese an den erhaltenen Beinstumpf eine Innovation geschaffen. Es macht herkömmliche Prothesen quasi „bionisch“, hieß es am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Beinprothese

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Unter der Ägide von Techniker Hubert Egger haben die Plastischen Chrirurgen die Prothese entwickelt. Links: Toni Innauer, er war an der Gründung der Firma „Saphenus“ beteiligt

Betroffener

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Dietmar Schmee verlor sein Bein nach einem Motorradunfall.

Informationen aus künstlicher Fußsohle

„Saphenus Medical Technoloy“ hat mit seinem „Soralis“-Add-on ein System zur Marktreife entwickelt, das Beinprothesenträgern sensorische Informationen aus der künstlichen Fußsohle melden soll. Das soll einerseits durch das „Spüren“ des Untergrunds die Gangsicherheit erhöhen, andererseits Phantomschmerzen lindern oder ganz beheben.

Das von dem Techniker Hubert Egger und Plastischen Chirurgen in Innsbruck und Südtirol entwickelte Produkt basiert auf der Beobachtung aus der Versorgung von Patienten mit „gedankengesteuerten“ Armprothesen. Dafür werden Nerven chirurgisch an die Brust verlegt, welche die Armprothese ansteuern sollen. Egger sagte: „Patienten berichteten, dass sie ‚Gefühl‘ von der Hand an der Brustoberfläche spürten.“

Schuh mit vier Sensoren

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Bewegung vermittelnde Nervenstränge (motorische Nerven) immer auch sensorische, also Oberflächenreize vermittelnde, Anteile besitzen. Außerdem können sich Nervenleitungen plastisch umorientieren.

Daraus entstand das „Solaris“-System: Ein Sensor-Schuh trägt an seiner Sohle vier Sensoren an Ferse, Außen- und Innenrist sowie an der Fußspitze. Er wird über den Prothesenfuß gestülpt. In einem Schaft, welcher die mechanische Prothese umfasst, nimmt ein Bluetooth-Sender beim Gehen die Abrollreize des Fußes auf. Sie werden an vier Aktivatoren im Prothesenschaft gesendet. Die vier Aktivatoren produzieren Vibrationen je nach ihrem zugeordneten Fußsohlen-Sensor.

Trainieren von verpflanzten Nerven

Am natürlichen Beinstumpf müssen für die Aufnahme der Vibrationsreize via plastische Chirurgie vier dafür geeignete Aufnahmestellen durch umgeleitete oder verpflanzte Nerven geschaffen werden. „Die Indikation für die Operation wird bei Phantomschmerzen gestellt, die mit den konventionellen Methoden nicht beherrschbar sind“, sagte Alexander Gardetto Plastischer Chirurg von Südtiroler Klinik Brixsana. Bereits nach einigen Tagen kann der Patient mit einem Trainingsgerät beginnen, seine verpflanzten oder umgeleiteten Nerven auf die zukünftige Funktion zu trainieren.

Bisher wurden laut Egger rund 15 Patienten im Rahmen von ersten Studien versorgt. Gemeinsam mit der AUVA soll das weitere Vorgehen wissenschaftlich begleitet werden. Das System wird rund 8.000 bis 10.000 Euro kosten und ist laut den Entwicklern mit jeder herkömmlichen Beinprothese kombinierbar.

Betroffener Schmee: „Keine Opioide mehr“

Für den Patienten Dietmar Schmee mit vor vielen Jahren nach einem Motorradunfall erfolgter Beinamputation oberhalb des Knies bedeutet das System eine deutliche Besserung seiner Probleme. Er sagte: „Es ist von der Schmerzseite immer brutaler geworden. Man ist morphinabhängig und hat Stabilisationsprobleme.“ Das neue System habe ihm viel mehr Lebensfreude gebracht. Von den stärksten Opioid-Schmerzmitteln sei er mittlerweile „weg“.