Politologe Karlhofer sieht Kurz geschwächt

Der Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer sieht Auswirkungen der neuen innenpolitischen Situation auch in Tirol. Im ORF-Interview spricht er von einer deutlichen Schwächung des „türkisen Experiments“ im Allgemeinen und von Kanzler Kurz im Besonderen.

Wie ist das aus Ihrer Sicht gestern abgelaufen?
Das war gestern alles andere als eine ‚message control‘ wie sie sonst praktiziert wird, sondern hier ist etwas außer Kontrolle geraten. Jede Stunde, die verstrich, trug dazu bei, dass Österreich sich international unvorteilhaft präsentierte. Der Schaden ist groß. Der Kanzler versuchte offenbar, die Koalition mit der FPÖ zu retten, statt die Notbremse zu ziehen. Das war kein Ausdruck von Führungsqualität.

Was bedeutet der gestrige Tag für die ÖVP?
Es gibt einen Unterschied zum Coup von Wolfgang Schüssel und dem Jahr 2002 (Neuwahlen nach geplatzter Koalition mit der FPÖ, Anm.). Was gestern passiert ist, ist nicht, dass zwei betrunkene Männer den Skandal ausgelöst haben, sondern das eigentlich Problematische ist, dass die ÖVP bei dieser Gelegenheit versucht hat, die FPÖ vom sensibelsten Ministerium - dem Innenministerium - abzuziehen und daran gescheitert ist. Es gab im Vorfeld schon viele Vorfälle, das war die rote Linie für Kurz, er versuchte, zu retten was zu retten ist, aber es gelang ihm nicht.

Welchen Einfluss hat der gestrige Tag auf die EU-Wahl?
Die vorbereiteten Konzepte und Strategien wirklich aller Parteien sind jetzt praktisch Altpapier. Es ist eine völlig neue Situation. Die EU-Wahl ist überlagert von innenpolitischen Vorgängen und zugleich schlechtem Außenbild, das Österreich liefert. Hier wird es so sein, dass die ÖVP versuchen wird müssen, diese Tage zu überbrücken, ebenso die anderen Parteien. Auch die FPÖ nach dem Motto ‚Jetzt erst recht‘.

Wirkt sich die neue innenpolitische Situation auf Tirol aus?
Landeshauptmann Platter ist in der komfortablen Situation, dass er eben keine Koalition mit der FPÖ im Land hat. Anders als im Burgenland die SPÖ, diese Koalition wird platzen. Platter hat hier eine vorteilhafte Situation. Aber Tirol bleibt nicht unberührt. Man muss sich vorstellen: dieses „Experiment türkis“ hat schwere Einbußen erlitten und das wird man nicht so leicht überwinden können. Vergessen wir nicht, die Grundfarbe der Partei ist schwarz und auch Platter hat den Wahlkampf hier mit der Farbe schwarz geführt. Man könnte sagen, Türkis ist die Deckfarbe darüber, die für die Bundespolitik aufgetragen wurde und die verblasst jetzt. Der Lack ist ab. Ich nehme auch nicht an, dass die Altvorderen der Partei, also die Landeshauptleute, gestern tatenlos zugesehen haben, sondern das Signal aus den Bundesländern gesendet haben ‚Stopp, diese Koalition muss beendet werden!‘

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