So lernt das Gehirn Gefahren vorherzusagen

Jüngste Forschungsergebnissen zeigen, wie sich der Fluchtreflex im Gehirn im Detail abspielt. Ein internationales Forscherteam mit Innsbrucker Beteiligung erhofft sich dadurch weitere Erkenntnisse bei psychischen Erkrankungen.

Ein lauter Knall reicht oft, um den Fluchtreflex auszulösen. Anhand bestimmter Reize eine Gefahr voraussehen zu können, ist überlebenswichtig. Aber wie lernt das Gehirn, wann es gilt, die Flucht zu ergreifen?

Synapsen werden zunehmend effizienter

Die Wissenschafter um Manuel Mameli von der Universität Lausanne spielten Mäusen fünf Tage lang wiederholt einen Ton vor; danach bekamen die Tiere einen leichten Elektroschock zu spüren. Im Laufe der Zeit lernten die Nagetiere, bei dem Ton die Flucht zu ergreifen. Die Analysen zeigten, dass die Synapsen - Verbindungsstellen zwischen Neuronen - zwischen zwei bestimmten Hirnstrukturen während des Lernens immer effizienter funktionierten. Und zwar zwischen dem Hypothalamus und den lateralen Habenulae.

Die auch Epiphysenstiele genannten Habenulae im Zwischenhirn spielen bei der Kontrolle von Verhalten eine Rolle, insbesondere auch in Zusammenhang mit negativen Emotionen. Der Hypothalamus ist eine wichtige Schaltzentrale für verschiedene Körperfunktionen, spielt aber auch für die Reaktion angesichts einer Bedrohung eine wichtige Rolle.

Verbindungen können deaktiviert werden

In einem weiteren Schritt und mit Unterstützung von Harumi Harada und Francesco Ferraguti vom Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Innsbruck und Kollegen in Japan gelang es den Forschern, die neuronale Verbindung zwischen dem Hypothalamus und den lateralen Habenulae spezifisch zu inaktivieren. Das hatte zur Folge, dass die Mäuse weniger gut lernten: Nach drei Tagen gelang es ihnen nur in sechs von 30 Fällen, dem Elektroschock nach dem Ton auszuweichen. Den Mäusen mit funktionierender Verbindung zwischen den beiden Hirnstrukturen gelang dies dreimal häufiger.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass für den Lernprozess sogenannte Rezeptoren an den Synapsen der Habenulae eine Rolle spielen, die durch den Neurotransmitter Glutamat aktiviert werden. Es sei somit ein sehr präziser neuronaler Schaltkreis zwischen Hypothalamus und den lateralen Habenulae sowie die Aktivierung der Rezeptoren durch Glutamat, die es der Maus ermöglichten, die Verbindung zwischen dem Geräusch und der Gefahr zu erlernen und die Flucht zu ergreifen.

Besseres Verständnis für Erkrankungen

Die Studienresultate können auch dazu beitragen, bestimmte psychische Erkrankungen besser zu verstehen, so die Uni Lausanne in einer Aussendung. Die lateralen Habenulae spielen beispielsweise auch bei Depressionen eine Rolle. „Man hat herausgefunden, dass Patienten, die mit einem äußeren Reiz konfrontiert sind, Schwierigkeiten haben, das damit verbundene Gefahrenniveau einzuschätzen und angemessen zu reagieren“, so Mameli.

In früheren Studien konnte sein Team bereits zeigen, dass tiefe Hirnstimulation im Bereich der lateralen Habenulae depressive Symptome bei Nagetieren lindern können. Nun wollen die Forscher genauer untersuchen, wie depressive Mäuse auf eine Bedrohung reagieren und die Notwendigkeit der Flucht vorhersehen können.