Scheidung am Strommarkt wird kosten

Die Trennung des gemeinsamen Strommarkts zwischen Österreich und Deutschland könnte den Strompreis weiter steigen lassen. Ab 1. Oktober kann nur mehr eine begrenzte Strommenge die Grenze zwischen Deutschland und Österreich passieren.

15 Jahre hat der gemeinsame Strommarkt zwischen Österreich und Deutschland gehalten. Nun ist damit Schluss. Der Grund dafür sind die überlasteten Stromnetze in Deutschland und in den angrenzenden Ländern Tschechien und Polen.

Offshore Windkraftwerk in der Ostsee

APA/dpa/Stefan Sauer

Der Ostsee-Windpark Iberdrola «Wikinger» kann Strom für bis zu 350.000 Haushalte erzeugen

Im Rahmen der Energiewende hin zu Ökostrom hat Deutschland den Ausbau alternativer Energiequellen stark forciert. In Norddeutschland entstanden an Land und zu Wasser riesige Windparks, die zumindest zeitweise viel Strom produzieren. Starke Stromverbraucher sind in Deutschland hingegen vor allem im Süden zu finden. Der dafür notwendige Netzausbau in Nord-Süd-Richtung konnte nicht Schritt halten. Infolgedessen kommt es im deutschen Netz zu Überlastungen, betroffen sind auch die tschechischen und polnischen Netze, die dadurch ebenfalls an ihre Kapazitätsgrenzen gelangten.

Stromzaun fiel relativ moderat aus

Ein weiterer Grund für die Überlastung des deutschen Netzes war, dass Österreich, Slowenien oder Kroatien viel Strom billig aus Deutschland importierten. Da eine an und für sich noch wirkungsvollere Markttrennung zwischen Nord- und Süddeutschland politisch kaum umsetzbar ist, wurde an der Grenze zu Österreich ein „Stromzaun“ errichtet. Der fiel aber nach Verhandlungen mit einer Höchstgrenze von 4,9 Gigawatt durchlässiger aus, als die ursprünglich vorgeschlagenen 2,5 Gigawatt. Die Festlegung der Grenze war laut E-Control Vorstand Andreas Eigenbauer ein Prozess, der zwischen den Regulatoren stattgefunden hat und bei dem man sich mit der deutschen Bundesnetzagentur geeinigt hat.

Hochspannungsleitung

Hermann Hammer

Mast einer 380-Kilovolt-Leitung in Richtung Deutschland bei Obsteig

Immerhin müssen von den Netzbetreibern 4,9 Gigawatt Stromaustausch zwischen Österreich und Deutschland garantiert werden. Das erscheint relativ viel, wenn man bedenkt, dass in ganz Österreich der Stromverbrauch bei etwa acht Gigawatt liegt und zu Spitzenzeiten auf 10,5 Gigawatt klettern kann. Wenn es vom Netz her möglich ist, kann kurzfristig auch mehr Strom die Grenze passieren.

Genaue Auswirkungen der Trennung noch unbekannt

Die Kapazitäten innerhalb der 4,9 Gigawatt können ersteigert und langfristig gebucht werden. Das werden voraussichtlich auch die Endkunden als Strompreiserhöhung zu spüren bekommen. Der Vorstandsvorsitzende der TIWAG, Erich Entstrasser, sagt, die Markttrennung beginne am 1. Oktober und niemand wisse genau, was sie für Auswirkungen haben wird.

TIWAG Gebäude am Innsbrucker Landhausplatz

ORF/Hermann Hammer

Die Markttrennung betrifft die TIWAG in mehrfacher Hinsicht

Die kolportierten sieben Prozent Strompreiserhöhung rein aus der Markttrennung halte er aber für etwas hoch gegriffen. Für die TIWAG würden aber die Preise für den Einkauf aufgrund der Markttrennung steigen. Die Erhöhung der Börsestrompreise seit 2016 um mehr als 100 Prozent ist für Entstrasser die „wesentlich größere“ Komponente. Eine spannende Frage für Österreich werde aber, woraus man die Energie erzeuge, die nicht mehr importiert werden könne, so Entstrasser.

Stausee Längentalspeicher Kühtai

Hermann Hammer

Trotz der Markttrennung sind für Entstrasser Pumpspeicherkrafwerke weiterhin sinnvoll

Zu der Sinnhaftigkeit großer Pumpspeicherkraftwerke angesichts der Markttrennung sagt Entstrasser, die großen Kraftwerke wie Sellrain-Silz seien nahe der deutschen Grenze, mit einer großen Leitung nach Deutschland, sodass man den Strom sehr gut dorthin abtransportieren könne. Man gehe davon aus, dass man aufgrund der physikalischen Voraussetzungen mit den grenznahen Speicherkraftwerken die 4,9 Gigawatt entlaste. Außerdem glaube er, dass die Markttrennung nicht von ewiger Dauer sein werde, weil ganz Europa darauf dränge, dass Deutschland seine Netzkapazitäten ausbaut.

Man wisse, dass ohne Speichertechnologie der Wandel hin zu erneuerbaren Energien nicht funktionieren werde. Wenn man von den mit Kohle betriebenen Grundlastkraftwerken weggehen wolle, brauche es noch mehr Speicher, so Entstrasser.

Hermann Hammer; tirol.ORF.at

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