Einwanderin rettet seltene Ziegenrasse

Agitu Ideo hat in einem abgelegenen Bergdorf im Trentino eine vom Aussterben bedrohte Ziegenrasse gerettet. Zuvor hat sie selbst als Flüchtling um ihr Leben gekämpft. Im Fersental lebt die Einwanderin nun mit 180 Tieren und macht erfolgreich Käse.

Agitu Ideo ist „Mutter“ einer bunten Herde, 180 „Kinder“ hat sie, jedes ist anders. So spricht die 40-jährige Bäuerin über ihre Landwirtschaft. In den Bergen des Fersentals im Trentino hat die Einwanderin mit einer seltenen Ziegenrasse neu angefangen. Es war ihre Rettung und die der Tiere auch, sagt sie.

Ziegen und Bäuerin

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Agitu Ideo mit ihren Mochena-Ziegen

Vor acht Jahren musste Agitu aus ihrer Heimat Äthiopien fliehen, weil sie politisch verfolgt wurde. Als Studentin der Soziologie hatte sie gegen das System protestiert und wurde somit der Regierung gefährlich. „Es kann nicht sein, dass der Staat den Bauern in Äthiopien alles nimmt und Großkonzernen überlässt. Das ist Landraub. Diese Form von Neo-Kolonalismus nimmt den Menschen jede Chance was aufzubauen“, so Agitu. Mit Freunden ging sie auf die Straße und demonstrierte in der Hauptsadt Addis Abeba. Der Haftbefehl ließ nicht lange auf sich warten. In letzter Minute konnte Agitu allein nach Italien fliehen. 200 Dollar hatte sie damals in der Tasche.

Agitu Ideo nachdenklich in Wiese

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An die Heimat Äthiopien denkt Agitu oft

In Italien angekommen, wusste die Afrikanerin zuerst nicht wie ihr Leben weitergehen sollte. Eine Zeit lang jobbte sie in einer Bar als Kellnerin. Dann hat sie eines Tages die Mochena-Ziege entdeckt.

Mit Nomadenhirten aufgewachsen

Die Viehwirtschaft liegt Agitu Ideo im Blut. Ihre Vorfahren waren in Äthiopien Nomadenhirten. Oft hat sie ihre Verwandten in der Steppe begleitet. „Es liegt in meiner DNA, dass ich gut mit Ziegen umgehen kann“, scherzt sie. Die Mochena-Ziegenrasse war im Trentino lange vom Aussterben bedroht, weil sie weniger Milch als die hochgezüchteten Arten gibt. Die gescheckten Tiere haben aber sofort das Herz der Afrikanerin erobert. „So wie ich mir Landwirtschaft vorstelle, sind diese Ziegen perfekt. Am Anfang hatte ich 15 Tiere, dann wurden es immer mehr“, so Agitu. Ähnlich wie ihre Familie in Äthiopien, zieht auch sie nur dorthin wo es den Tieren gut geht und sie frische Kräuter zum Fressen finden.

Sennerin mit Leidenschaft

Agitus Tag beginnt um vier Uhr Früh. Die Milch der 180 Ziegen muss rasch verarbeitet werden. 15 verschiedene Käse-Sorten stellt sie her. Verkauft werden sie aber nur im Trentino. Nicht noch einmal sollen Großkonzerne von ihrer Arbeit Profit machen.

Käse machen

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Ihren Ziegenkäse verkauft Agitu nur im Trentino

„Es interessiert mich nicht, große Supermärkte oder Händler zu beliefern, ich will lieber in meinem Dorf was aufbauen“, so die Sennerin. Schon mehrfach hat sie Angebote von großen Sennereien und Händlern abgelehnt. Mit ihrem Betrieb möchte die couragierte Frau eine Mikroökonomie in ihrem neuen Heimatdorf schaffen.

Mit Integration Gebiet aufwerten

Agitu wohnt im Fersental, in der Gemeinde Gereut, deren Bewohner der bairischsprachigen Volksgruppe angehören. Nicht mal 400 Menschen wohnen hier, seit Jahren hat der Ort mit Landflucht zu kämpfen. Als sie vor zwei Jahren hier her kam, hat sie sich in das ehemalige Schulhaus eingemietet. Es war leer, denn im Dorf gab es keine Kinder. „Als dunkelhäutige Frau war ich es gewohnt in verlassenen Berg-Gegenden anfangs mit Skepsis behandelt zu werden. Einfach war es aber nicht. Als die Leute aber gesehen habe wie ich arbeite, haben sie mich akzeptiert“, sagt Agitu. Mittlerweile ist sie im Dorf bestens integriert und unterstützt selbst Flüchtlingsprojekte.

Ziegenhirte

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Ein junger Mann aus Mali hütet Agitus Ziegen

Sie selbst konnte mittlerweile auch einem Migranten Arbeit geben. Ein 24-jähriger Flüchtling aus Mali hütet ihre Ziegen. Für Agitu Ideo ist es nun ein bisschen wie früher in Äthiopien, nur eben im urigen Fersental.