Gustav Kuhn stellt Funktion ruhend

Der wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe in Bedrängnis geratene Gustav Kuhn stellt seine Funktion als künstlerischer Leiter der Festspiele Erl bis zur vollständigen Klärung mit sofortiger Wirkung ruhend.

Er wolle damit weiteren Schaden von den Festspielen abwenden, teilten die Verantwortlichen mit. Kuhn weise die von fünf Künstlerinnen in einem offenen Brief geäußerten Vorwürfe weiterhin zurück, hieß es nach einer Sitzung des Stiftungsvorstandes in Wien.

Gustav Kuhn und Michael Krüger

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Gustav Kuhn mit seinem Anwalt Michael Krüger

Leisner interimistischer Leiter

Der Vorstand habe die Entscheidung Kuhns begrüßt, hieß es. Mit der interimistischen Leitung werde sein bisheriger Stellvertreter Andreas Leisner betraut. Die Vorwürfe würden jedenfalls ernst genommen, und jedem einzelnen davon werde entsprechend nachzugehen sein, wurde versichert.

Festspiele rufen Gleichbehandlungskommission an

Eine mögliche Rückkehr von Gustav Kuhn in seine Funktion hängt nicht nur von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, sondern auch von der Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt ab, die die Geschäftsführung der Festspiele nun anrufen werde. Dies machte Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner im APA-Gespräch klar. Vor der Kommission gelte die Beweislastumkehr, so Haselsteiner. Für Kuhn sei es eine große Erschwernis, zu beweisen, dass er unschuldig sei.

Hans Peter Haselsteiner und Gustav Kuhn bei Umarmung

APA/EXPA/JOHANN GRODER

Haselsteiner und Kuhn bei der Eröffnung der heurigen Festspiele in Erl

Der Maestro habe mit seiner Entscheidung jene des dreiköpfigen Stiftungsvorstandes vorweggenommen, so Haselsteiner. „Es gab im Vorstand keine divergierenden Meinungen“, sagte der Industrielle und Erl-Mäzen. Bei den Vorständen habe jedenfalls „großes Bedauern“ und auch „große Ohnmacht“ angesichts der ganzen Causa und der jetzigen Entwicklung geherrscht. Haselsteiner wiederholte, für Kuhn gelte die Unschuldsvermutung.

Palfrader begrüßt Kuhns Entscheidung

Tirols Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) sagte im Anschluss an die Sitzung, das Land Tirol nehme die Vorwürfe sehr ernst und werde die restlose Aufklärung bestmöglich unterstützen. „Wir begrüßen die Entscheidung Gustav Kuhns, bis zur vollständigen Aufklärung der Vorwürfe seine Funktion als künstlerischer Geschäftsführer ruhend zu stellen.“ Das Land Tirol bekenne sich ausdrücklich zu den Festspielen Erl als Fixpunkt des Tiroler, österreichischen und internationalen Kulturlebens.

Grüne: Schritt war überfällig

Von den Tiroler Grünen heißt es, der Schritt sei überfällig gewesen und mache Platz für Aufklärung. Der grüne Kultursprecher Georg Kaltschmid sagte, er habe wiederholt auf die vorläufige Suspendierung von Kuhn durch den Vorstand gedrängt. Dass Kuhn dem Beschluss zuvorkam, sei zu begrüßen. „Das zeigt zumindest ein Mindestmaß an Sensibilität für diese heikle Causa“, so Kaltschmid.

SPÖ fordert rasche Klärung der Vorwürfe

Die Tiroler SPÖ-Nationalrätin Selma Yildirim und der Tiroler SPÖ-Kultursprecher Benedikt Lentsch begrüßten laut einer Aussendung den vorläufigen Rückzug Kuhns. „Die massiven Vorwürfe der Künstlerinnen müssen nun schnell und lückenlos aufgeklärt werden“, forderten Lentsch und Yildirim. Für Kuhn gelte die Unschuldsvermutung.

Erste anonyme Vorwürfe im Februar veröffentlicht

Mitte Februar 2018 hatte der Blogger Markus Wilhelm auf seiner Seite Dietiwag.org anonyme Vorwürfe gegen Kuhn veröffentlicht, die von „modernem Sklaventum“ über Verdacht auf Lohndumping bis hin zu sexueller Belästigung reichten. Die Verantwortlichen der Festspiele Erl wiesen die Anschuldigungen zurück und kündigen eine Klage gegen Wilhelm an. Die Festspiele Erl erwirken bei Gericht eine Einstweilige Verfügung gegen Wilhelm. Zudem werden mehrere Klagen gegen Wilhelm vorbereitet und auf den Weg gebracht. Am 17. Mai zog Kuhn seine medienrechtliche Klage gegen Wilhelm zurück. Die Zivilklage blieb jedoch aufrecht.

Markus Orgler und Markus Wilhelm

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Markus Wilhelm (r.) mit seinem Anwalt Markus Orgler

Nach einem offenen Brief von fünf Künstlerinnen, die ihm sexuelle Belästigung zum Vorwurf machen, kam Kuhn auch politisch zunehmend unter Druck - mehr dazu in Offener Brief: Massive Vorwürfe gegen Kuhn. Aus verschiedenen Parteien wurden Rufe nach seiner Suspendierung laut, unter anderem auch von den in der Landesregierung vertretenen Grünen- mehr dazu in Politischer Druck auf Kuhn steigt.

Künstlerin spricht von „massivem Übergriff“

Eine der fünf Künstlerinnen, die den offenen Brief verfasst hatten, präzisierte in einem Interview am Montagabend gegenüber der ZIB2 ihre Vorwürfe. Im Jahr 1999 habe es einen „massiven sexuellen Übergriff“ durch Kuhn gegeben, sagte die Mezzosopranistin Julia Oesch - mehr dazu in Causa Erl: Künstlerin über „massiven Übergriff“. Kuhns Anwalt, Ex-Justiziminister Michael Krüger, wies die Vorwürfe umgehend zurück.