Kampf ums Überleben im Gebirgskrieg

Der Erste Weltkrieg hat Tirols Berge zu Schlachtfeldern gemacht. Die Ausstellung „Der Soldat im Eis“ im Vintschger Museum in Schluderns gibt einen außergewöhnlichen Einblick in den Alltag des Krieges im Ortlergebiet.

Als Italien 1915 in den Krieg zog, fielen auch im heutigen Südtirol auf über 3.800 Metern Seehöhe Schüsse. Die italienisch-österreichische Frontlinie im Ersten Weltkrieg verlief während des Gebirgskriegs von 1915 bis 1918 unter anderem durch das Ortlergebiet. Die Soldaten, die bei minus 40 Grad Celsius die Stellung in Schnee und Eis aushalten mussten, starben allerdings nicht vorrangig im Kugelhagel. Vielmehr sind die Männer durch Lawinen oder durch die eisige Kälte ums Leben gekommen.

Fotografie einer Kanone in Schnee und Eis

Vintschger Museum

Eine Kanone mitten im Hochgebirge erinnert an die Brutalität des Kampfes am Abgrund.

Soldatenhütte unter Schnee und Eis entdeckt

Immer wieder reißt die Gletscherschmelze alte Wunden auf. Unterhalb des Gipfels der Königsspitze hat der Berg im Jahr 2015 eine Baracke frei gegeben. Aus der Soldatenhütte konnten Einrichtung, Kleidung und persönliche Gegenstände nahezu unversehrt aus dem Hochgebirge geborgen werden. Für die Sonderausstellung „1918 - Königspitze und Ortler - Der Soldat im Eis“ im Vintschger Museum in Schluderns hat das Amt für Bodendenkmäler die Fundstücke als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Damit werden sie erstmals öffentlich gezeigt.

Soldatenhütte unterhalb der Gipfels der Königsspitze

Vintschger Museum

2015 wurde eine Soldatenhütte unter dem Gipfel der Königspitze gefunden.

Alkohol, um die Gräuel des Krieges zu vergessen

Rund 30 Männer sollen laut der Historikerin Helene Dietl Laganda in der Soldatenhütte gelebt haben. Die Funde in der heutigen Baracke zeigen, mit welchen einfachen Mitteln die Soldaten versucht haben, in einer lebensfeindlichen Umgebung zurecht zu kommen. Die gefundenen Gebrauchsgegenstände waren in einem sehr guten Zustand. „Beim Betreten der Hütte hatten die Beamten vom Landesdenkmalamt das Gefühl, dass die Baracke erst kurz vorher verlassen worden war. Die Soldaten hätten jederzeit zurückkehren können“, so Dietl Laganda. Lebensmittelreste wurden nur wenige in der Hütte gefunden. Dafür entdeckte man ziemlich viel Alkohol. Die Soldaten müssen viel getrunken haben, schlussfolgert die Historikerin. Die Gründe dafür seien vielfältig, wahrscheinlich sei aber, dass sich die Männer mit dem Trinken des Alkohols aufwärmen wollten, aber auch um die Gräuel des Krieges auszuhalten und schlussendlich um zu vergessen.

Gefundene Feldflaschen in der Ausstellung

ORF

In der Hütte lagen zahlreiche Feldflaschen gefüllt mit Alkohol.

Kastanien mit den Italienern geteilt

Es waren nicht die tauglichsten Kämpfer fürs Vaterland, die hinauf in die Eiseskälte geschickt wurden. Viele der Soldaten waren über 45 Jahre alt. Als die Baracke errichtet wurde, glaubte noch niemand, dass die Soldaten tatsächlich ins Kriegsgeschehen eingreifen müssten. Doch der italienische Feind kam immer näher und manchmal wurde er auch gebraucht, erläutert Dietl Laganda.

Soldatenleben an der Ortlerfront

Historikerin Helene Dietl Laganda aus Mals spricht über eine Anekdote aus dem Gebirgskrieg, die sich die Leute heute noch erzählen.

Soldaten als Bergführer und Skilehrer

Einige Soldaten, die in der Hütte am Berg stationiert waren, haben überlebt und sind nach Kriegsende nach Hause ins Tal zurückgekehrt. Laut der Historikerin Helene Dietl Laganda kamen sie später in der Tourismusbranche als Bergführer und Skilehrer unter. Die Historikerin ist überzeugt: Das, was die Soldaten vor 100 Jahren in der Baracke zurückgelassen haben, erzählt mehr vom Leben und vom Krieg, als die Medaillen und Verdienstzeichen, mit denen die Überlebenden ausgezeichnet wurden. Die Sonderausstellung im Vintschger Museum in Schluderns ist noch bis zum 4. November geöffnet, von Dienstag bis Sonntag von jeweils 10 bis 12.30 Uhr und von 14 bis 18 Uhr.