Missbrauch: Werdenigg bricht Tabu auf

Die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg, ehemals Spieß, dürfte in Bezug auf Missbrauch im Sport ein Tabu aufgebrochen haben. Sie spricht von weltweiten Reaktionen auf ihre Schilderungen. Auch die Tiroler Jugendanwältin stellt jetzt Forderungen.

Es sei erschütternd und gleichzeitig großartig, wie viele Menschen sich jetzt bei ihr melden würden, so Werdenigg im ORF-Interview. Die ehemalige Skirennläuferin, die aus der Skifahrerfamilie Spieß im Zillertal stammt, hatte in einem „Standard“-Interview von massiven sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch während ihrer aktive Zeit berichtet und das patriarchale System kritisiert - mehr dazu in news.ORF.at.

Sexuelle Belästigung: Neue Vorwürfe

Sexuelle Belästigung im Skisport scheint ein lange totgeschwiegenes Thema zu sein. Die ehemalige Abfahrtsspezialistin Nicola Werdenigg ist mit ihren Erlebnissen an die Öffentlichkeit gegangen.

Missbrauch schon in der Unterstufe

Bewusst wahrgenommen habe sie den Missbrauch bereits in der Unterstufe in einer Tiroler Skihauptschule, wo vor allem Burschen sexuell missbraucht worden seien. Etliche betroffene Männer hätten sich bei ihr gemeldet, so Werdenigg. Sie selbst sei wie andere Mädchen auch dort sehr stark unterdrückt worden. Gebessert habe sich das erst wesentlich nach ihrem Wechsel ins Skiinternat Stams.

Während ihrer Zeit beim ÖSV kam es dann erneut zu sexuellen Übergriffen in Form einer Vergewaltigung und einer versuchten Vergewaltigung. Ebenso berichtete die heute 59-Jährige beispielsweise von einem Skifabrikanten, der sie unsittlich berührt habe. Die Anzahl der betroffenen Frauen dürfte groß sein, denn allein bei ihr hätten sich in den letzten Tagen zahlreiche Rennläuferinnen aus aller Welt gemeldet.

Nicola Werdenigg

ORF

Nicola Werdenigg war 1975 Staatsmeisterin in der Abfahrt und belegte bei den Olympischen Spielen in Innsbruck den vierten Platz

So reagiert Werdenigg auf Kritik von Pröll

Die ehemalige Skirennläuferin Annemarie Moser-Pröll hatte auf die Aussagen Werdeniggs am Dienstagabend in einem TV-Interview reagiert. Sie selbst könne sich an keinerlei derartige Vorfälle während ihrer aktiven Zeit erinnern. Zudem hätte sie sich zu wehren gewusst. Pröll kritisierte, dass jetzt Betreuer ins schlechte Licht gerückt würden.

Es gebe einfach in Umgebungen von sexueller Gewalt und Missbrauch genügend Leute, die das bewältigen, indem sie sich mit dem System solidarisieren, so Werdenigg. Ihr selbst gehe es weniger um ihre erlebten Fälle, vielmehr darum, dass man darüber spricht, das Thema enttabuisiert und so in Zukunft sexuelle Missbrauchsfälle im Sport verhindert werden. Dazu brauche es auch vernetzte Anlaufstellen für Betroffene weltweit, so Werdenigg.

Jugendanwältin für „straffreie“ Betreuer

Um sexuelle Übergriffe im Sport zu verhindern bzw. zu minimieren, kommt auch eine Forderung der Kinder- und Jugendanwaltschaft in Tirol. Geht es nach Elisabeth Harasser, sollen Kinder- und Jugendbetreuer künftig verpflichtend einen Strafregisterauszug vorweisen müssen, so die Jugendanwältin im ORF-Interview.

ÖSV will Thema diskutieren

Von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel gab es direkt zu den Vorwürfen Werdeniggs keine Stellungnahme, weil diese weit vor seiner Präsidentschaft passiert seien. Die Frauenbeauftragte des ÖSV, Petra Kronberger, sprach von einem mutigen und wichtigen Schritt Werdeniggs. Sie werde dieses Thema noch im November mit dem Präsidenten ansprechen - mehr dazu in ÖSV nimmt zu Missbrauchsvorwürfen Stellung.

Stefan Lindner; tirol.ORF.at