Fall Nadina: Freispruch für Arzt

Der Prozess gegen einen Tiroler Anästhesisten im Fall eines nach einer Leistenoperation an der Innsbrucker Klinik im Jahr 2008 schwerstbehinderten Mädchens hat am Dienstag mit einem Freispruch geendet. Das Urteil war vorerst nicht rechtskräftig.

Richter Gerhard Melichar begründete den Freispruch für den 56-jährigen Anästhesisten damit, dass es keine objektiven Beweise für eine fahrlässige Sorgfaltsverletzung gebe. Das Verfahren habe sehr lange gedauert. Es habe zahlreiche Gutachten gegeben. Man habe sich bemüht, die Vorgänge rund um den folgenschweren Behandlungsfehler an dem Mädchen Nadina aufzuklären. Das sei aber nur zum Teil gelungen.

Dokumentationslücke von 30 Minuten

Laut gerichtlichem Gutachter war die Narkose „lege artis“ durchgeführt worden. Es gab auch keine Beweise, dass der Anästhesist in der Phase der Nachbetreuung fahrlässige Handlungen gesetzt hatte. Gutachter stellten fest, dass Sauerstoffmangel zu der schweren Hirnschädigung des damals sechs Wochen alten Mädchens geführt hatte. Was vorliege, so Richter Melichar, sei eine Dokumentationslücke von 30 Minuten. Der gerichtliche Gutachter sagte zu Beginn der Hauptverhandlung, dass in dieser Zeit der fehlenden Dokumentation etwas passiert sein müsse, das zu diesem schweren Gehirnschaden geführt habe.

„In Lücken darf nicht etwas hineininterpretiert werden“, zitierte der Richter aus einem der zahlreichen Gutachten zu dem Fall. Es seien im Zuge der Hauptverhandlung zahlreiche Zeugen einvernommen worden, so der Richter weiter. Keiner davon habe von irgendwelchen Auffälligkeiten im Zuge der Aufwachphase berichten können.

Ein Gutachten ging bei der weiteren Behandlung von Nadina auf der Kinderintensivstation von grob fahrlässigem Verhalten aus. Eine Differenzierung, wo die folgenschweren Schäden am Gehirn aufgetreten sind, ob in der Aufwachphase oder bei der Betreuung auf der Intensivstation, sei nicht möglich. Im Strafverfahren sei daher im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Anwalt der Eltern von Nadina hat Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat keine Erklärung abgegeben.

Kind ist schwer behindert

Im Jahr 2008 wurde die heute siebenjährige Nadina wegen eines harmlosen Leistenbruchs an der Innsbrucker Klinik operiert. Als sie aus der Narkose erwachte, war sie schwer behindert. Das Kind braucht rund um die Uhr die Pflege seiner Eltern. Im Mai 2014 stellte die Tilak in einem Zivilprozess die Haftung außer Streit - mehr dazu in „Nadina“: Eltern einigen sich mit TILAK.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Anästhesisten der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen angeklagt. Er hatte damals die Narkose verabreicht. Der Arzt bekannte sich beim ersten Verhandlungstermin, im September 2014, nicht schuldig.