Forderung: Missbrauch darf nicht verjähren

Bei Missbrauchsfällen in Tiroler Heimen sind zwei große Schadensersatzklagen gegen das Land anhängig. Das Land nennt die Fälle verjährt. Die Liste Fritz fordert in einem Landtagsantrag den Verzicht auf den Einwand der Verjährung.

Der Missbrauch von hunderten Kindern und Jugendlichen in Erziehungsheimen bis in die 80er und teilweise sogar noch in die 90er Jahre ist zweifelsohne eines der schrecklichsten und dunkelsten Kapitel der Tiroler Sozialgeschichte. Eine Expertengruppe des Landes sprach im Jahr 2010 von massiver Gewaltanwendung, erniedrigender Bloßstellung von anderen bis hin zu Sadismen sowie von schwersten Obsorge- und Aufsichtspflichtverletzungen.

Bisher Zahlungen an 274 Menschen

Daraufhin wurde eine Opferschutzkommission eingerichtet, an die sich bis jetzt 517 Menschen gewandt haben. 274 von ihnen bekamen sogenannte „Gestenzahlungen“ in der Höhe von mehreren Tausend Euro als Pauschalabgeltung. Insgesamt zahlte das Land in den letzten Jahren 2,1 Millionen Euro aus.

Doch es sind auch zwei große Schadensersatzklagen gegen das Land anhängig, die der Innsbrucker Anwalt Albert Heiss bearbeitet. In einem Fall geht es um 900.000 Euro, im anderen um 300.000 Euro Entschädigung. Klägerinnen sind zwei ehemalige Zöglinge des Landeserziehungsheimes St. Martin in Schwaz.

Anwalt: Unterbringung wie in Gefängnis

Die Unterbringung habe laut Heiss den Charakter eines Gefängnisaufenthaltes gehabt. Die Mädchen seien dort massiv körperlich misshandelt worden, es habe auch massive sexuelle Übergriffe gegeben. Seiner Ansicht nach seien sie auch Zwangsarbeit unterworfen worden, weil die Mädchen an diverse Betriebe oder private Haushalte ausgeliehen worden seien und dort Arbeiten verrichten hätten müssen ohne entsprechenden Versicherungsschutz und ohne angemessenes Entgelt.

Das Land wendet ein, dass die Fälle bereits verjährt seien. Andreas Brugger von der Liste Fritz fordert, auf diesen Einwand solle verzichtet werden. Es sei ein Unterschied dazu, ob man Zahlungen leiste, die eine einseitig festgesetzte Kommission festgesetzt habe. Das könne zu wenig sein und deshalb sei es das Mindeste, dass man sich der Überprüfung eines unabhängigen Gerichts stelle und das zahle, was ein Gericht herausbringe. Das gehe aber nur, wenn auf Verjährung verzichtet werde, so Brugger.

Rechtlich ist ein Verzicht auf Verjährung möglich. Wenn das Land den Einwand nicht geltend macht, dann wird sich das Gericht auch nicht damit befassen. Bei schweren Fällen hatte das übrigens 2010 auch die Expertengruppe des Landes angeregt.

Baur: Es geht um Rechtssicherheit

Die zuständige Soziallandesrätin Christine Baur (Grüne) entgegnet, sie wolle Rechtssicherheit. Man habe sich das lange überlegt und auch durchdiskutiert. Es gehe um weit mehr als um eine noble Geste. Es gehe darum, Rechtssicherheit zu bieten. Man habe es sich nicht leicht gemacht und sich entschieden, dass in jedem Einzelfall geschaut werde, ob die Verjährung halte oder nicht. Das wolle man den Expertinnen im Gesundheitsbereich, den Begutachterinnen und auch der Justiz überlassen, wie das einzeln ausgehe, so Baur. Das Thema dürfte im nächsten Landtag zu Diskussionen führen und auch die Landesregierung dürfte mit den zwei anhängigen Klagen noch länger beschäftigt sein.

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