Experten-Kontroverse über Brust-Screening

Im Jänner hat das neue Brustkrebs-Früherkennungsprogramm das Tiroler Modell abgelöst. Nicht mehr jährlich, sondern nur alle zwei Jahre werden Frauen zwischen 45 und 69 Jahren untersucht. Über den Nutzen gehen die Meinungen allerdings auseinander.

Bei einer Expertendiskussion am Montag in Innsbruck gab es auch Kritik an den vom Gesundheitsministerium propagierten Screening-Programmen. Frauen würden über den Nutzen flächendeckender Mammographie-Screenings in die Irre geführt, sagte Gerhard Gigerenzer vom Berliner Max-Planck Institut für Bildungsforschung. Auch viele Ärzte wüssten einfach nicht Bescheid, so der Psychologe. „Von 1.000 Frauen, die zum Screening gehen, sterben nach zehn Jahren circa vier. Von 1.000, die nicht gehen, sind es fünf. Das wird aber der Öffentlichkeit nicht so gesagt.“

Gigerenzer führte in seinem Vortrag aus, dass laut Untersuchungen 95 Prozent der österreichischen Frauen den Nutzen von Mammographie-Screenings überschätzen. Dieser Nutzen sei aus seiner Sicht gering, das würden auch Zahlen des dänischen Nordic Cochrane Center in Kopenhagen zeigen. Das Geld, das für die Screening-Programme ausgegeben werde, könnte man besser verwenden, erläuterte Gigerenzer. Etwa für, wie er sagte, „echte Vorsorge-Programme, die gegen den starken Tabak- und Alkoholkonsum in Österreich gerichtet sind“.

Grundlose Verunsicherung durch falschen Befund

Unter Berufung auf die Zahlen einer dänischen Studie kritisierte Gigerenzer auch, dass Frauen nicht über die Nachteile derartiger Brustkrebs-Früherkennungsprogramme informiert würden. „Frauen, die keinen Brustkrebs haben, erhalten falsch-positive Ergebnisse und werden fälschlicherweise in Aufregung versetzt. Von 1.000 Frauen, die zehn Jahre lang zur Brustuntersuchung gingen, würden etwa 100 falsch-positive Ergebnisse erhalten und Biopsien durchführen lassen, obwohl sie keinen Brustkrebs hätten. Die Verängstigung dieser Frauen sei groß, vor allem, wenn ihnen vorher nichts erklärt werde, so Gigerenzer.

"Dann gibt es noch eine Gruppe von Frauen, die nicht-progressive Brustkrebse haben, d.h. diese Frauen würden diesen Krebs nie bemerken.“ Manchmal gebe es auch unnötige Eingriffe wie z.B. eine teilweise oder ganze Entfernung der Brust.

Besser behandeln statt früher erkennen

Auch Karsten Juhl Jörgensen vom Nordic Cochrane Center in Kopenhagen erklärte in seinem Vortrag, dass die Effekte von flächendeckenden Screening-Programmen gering sein. Screening-Programme beruhten weniger auf Daten und Zahlen als vielmehr auf politischer Initiative. Verbesserte Behandlungsmethoden hätten mehr Effekt als mehr Brustkrebs-Früherkennungsprogramme, so Jörgensens Fazit.

Gynäkologie-Chef stellt Zahlen in Frage

Christian Marth, Leiter der Universitätsklinik für Gynäkologie in Innsbruck, bezweifelte die dänischen Zahlen. Die Häufigkeit von Brustkrebs sei in Tirol in den vergangenen zehn Jahren um elf Prozent gestiegen, die Sterblichkeitsrate aber um 35 Prozent gesunken. Und das könne man nicht ausschließlich mit besseren Behandlungsmethoden erklären.

In Tirol, wo bereits 2005 ein Früherkennungs-Programm gestartet wurde, sterben weniger Frauen an Brustkrebs als im Rest von Österreich. Für Marth ein klarer Effekt der Screenings. Dadurch würden nämlich häufig Tumore noch in einem sehr kleinen Stadium erkannt, was bedeutet, dass die Behandlung schonender und effektiver erfolgen kann als bei großen Tumoren.

Marth: Kein Beweis für „harmlosen“ Krebs

Das von Kritikern der Mammographie-Screenings ins Treffen geführte Argument der Überdiagnose ist für den Innsbrucker Frauenarzt nicht nachvollziehbar. „Dass Frauen eine Diagnose Brustkrebs bekommen, der unbehandelt keine Gefahr bedeutet hätte, stelle ich völlig in Abrede. Dafür gibt es aufgrund der internationalen Untersuchung überhaupt keinen Nachweis. Wir gehen davon aus, dass jeder Brustkrebs weiterwächst und natürlich das Leben der Frau bedroht.“

„Ich denke, dass es um Einzelschicksale geht, die sich in der Statistik nicht spiegeln lassen. Und jede Frau, die eine Diagnose Brustkrebs hat, wünscht sich natürliche eine bestmögliche Therapie mit geringstmöglichem Eingriff und dafür ist eine Mammographie die beste Garantie.“

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