Die Sorgenkinder des Denkmalschutzes

Am Sonntag kann am „Tag des Denkmals“ die Bevölkerung sonst nicht zugängliche Bauten besichtigen, etwa gelungene Restaurierungen. In der Praxis stößt der Denkmalschutz aber auch an Grenzen, besonders dann, wenn geschützte Objekte nicht mehr benutzt werden und verfallen.

Ein neues Haus statt dem alten, unklare Besitzverhältnisse oder fehlendes Interesse: Es gibt viele Gründe warum denkmalgeschützte Bauten nicht mehr benutzt werden. Aus Juwelen können so innerhalb weniger Jahre Schandflecke werden, bei denen aber das Denkmalamt den Abriss verbietet.

Der Tiroler Landeskonsverator Werner Jud widmete sein Vorwort zum gerade erschienen Denkmalbericht des Landes Tirol diesen Sorgenkindern. Unter den fast 5.000 geschützten Denkmälern in Tirol gebe es 20 bis 30 Sorgenkinder, die das Denkmalamt schon lange beschäftigen.

Ambiente eines Geisterschlosses

Ein solches Sorgenkind ist an einem der schönsten Plätze Tirols zu finden. Es ist das Hotel Alpenhof in Pertisau.

Das desolate Hotel Alpenhof

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Das ehemalige Hotel Alpenhof in Pertisau am Achensee

1929 wurde das um die Jahrhundertwende errichtete Hotel nach den Plänen des bekannten Tiroler Architekten Siegfried Mazagg umgebaut. In den sechziger Jahren wurde der Hotelbetrieb eingestellt und seitdem verfällt das monumentale Haus. Zahlreiche Tafeln warnen vor Einsturzgefahr und verbieten den Zutritt. Der Landeskonservator sagte, in der Schweiz oder in Südtirol seien solche Objekte oft voll in Betrieb und begehrt. Es gebe zahlungskräftige Publikum, das dieses historische Ambiente schätze. Beim Alpenhof ist es laut Jud bis jetzt daran gescheitert, dass sich die Besitzerin das nicht vorstellen kann. „Ich könnte es mir sehr wohl vorstellen und ich glaube es gebe auch Investoren, die so etwas angehen würden.“

Jud: Leuten fehlt oft Vorstellungskraft"

„Oft fehlt den Leuten die Vorstellungskraft, dass man aus einer Ruine ein schönes und benutzbares Objekt machen kann“, meinte Jud. Da helfe es, wenn man Beispiele von Restaurierungen zeige. Außerdem brauche es lange Gespräche und Diskussionen bis man zu gemeinsamen Lösungen komme.

Das ehemalige Hotel in Pertisau ist kein Einzelfall, wenn es um aufgegebene Gastronomiebetriebe geht, die im denkmalgeschützten Zustand seit Jahren vor sich hingammeln. Weitere Beispiele sind etwa der ehemalige Gasthof Neuwirt in Rinn unterhalb der Kirche im Ortszentrum oder auch das Gasthaus „Zum Tiroler“ in der Geigergasse in Wattens.

Ehemaliger und baufälliges Gasthaus zum Tiroler in Hall

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Das ehemalige Gasthaus „Zum Tiroler“ in Wattens

Den Gewalten der Natur ausgeliefert

Manchmal können auch Naturgewalten den Verfall beschleunigen. Im Halltal im Gemeindegebiet von Absam wurden die Herrenhäuser nach der Schließung des Salzbergbaus im Jahr 1967 noch bis 1999 als Gasthaus genutzt, bis eine Lawine ein Eck aus dem massiven Gebäudekomplex herausriss. Die Gastwirtschaft musste eingestellt werden und das Gebäude begann zu verfallen. Notdürftig werden seitdem Ausbesserungsarbeiten vorgenommen, um das Schlimmste zu verhindern.

Seit der Sperre der Halltalstraße für private Pkws vor zwei Jahren sind die Herrenhäuser aber noch weiter abgelegen. Werner Jud vom Denkmalamt schwebt hier vor, aus der Not eine Tugend zum machen: „Gerade weil man schon von Absam weg gehen muss, könnte es interessant sein, wenn die Wanderer dort Quartier hätten.“ Auch eine Nutzung als Berggasthaus hält Jud für möglich.

Herrenhäuser im Halltal

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Die Herrenhäuser im Halltal

Geschütztes Betonviadukt im Wald

Manchmal sind es auch technische Neuerungen, die alte Bauten unbrauchbar machen. Seit acht Jahren ist die alte Hungerburgbahn in Innsbruck außer Betrieb. Neben der Talstation und der Innbrücke erinnert an sie das Betonviadukt im Wald unterhalb der Hungerburg. Während es bezüglich der Talstation und der Brücke laut Jud bereits ein Nachnutzungskonzept geben soll, gibt es ein solches für das Viadukt nicht. Das nicht mehr benutzte Viadukt einfach aufzugeben oder gar abzureißen verbietet aber das österreichische Denkmalschutzgesetz. Der Tiroler Landeskonservator Werner Jud meinte etwa, man könne das Viadukt durch ein Geländer absichern und eine Treppe zur Hungerburg hinauf bauen.

Viadukt der alten Hungerburgbahn mit Blick auf die neue Hungerburgbahn

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Durch die Neue Hungerburgbahn ist das alte Viadukt nutzlos geworden.

Gemeinde betrieb Aufhebung des Denkmalschutzes

Der alte Bauhof in Kaltenbach im Zillertal ist ein ehemaliges Bauernhaus in Holzblockbauweise. Die Gemeinde bemühte sich schon 2009 darum, den Denkmalschutz für das Holzhaus wegzubekommen, jedoch ohne Erfolg. Teilweise wird der Bauhof noch von der Gemeinde genutzt, er ist aber in schlechtem Zustand und ein Schild warnt unter Androhung von Strafe davor, das Haus zu betreten.

Holzhaus mit Straßenschildern

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Der Bauhof in Kaltenbach, ein ehemaliges und denkmalgeschütztes Bauernhaus

Guarinonihaus nach wie vor ein Sorgenkind

Ein besonderer Fall, wenn es um Denkmalschutz geht, ist Hall in Tirol. Die größte Altstadt Tirols steht unter Ensembleschutz. Jedes Haller Altstadthaus steht damit unter Denkmalschutz. Dass es unter den vielen Objekten auch Sorgenkinder gibt, ist verständlich. Ein offensichtliches Sorgenkind und zugleich eines der schönsten Bürgerhäuser Halls ist das Guarinonihaus, bei dem der Verfall an den bröckelnden Fassaden offensichtlich ist. Seit über einem Jahr gibt es laut Jud einen gültigen Baubescheid, geschehen sei aber bisher nichts.

Guarinonihaus Ausschnitt

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Bröckelnde Fassaden beim Guarinonihaus in Hall

Doch auch bei Häusern, die eine straßenseitig intakte Fassade haben, kann es Probleme geben, so etwas steht das Haus Krippgasse 6 seit Jahrzehnten leer.

Haus Krippgasse 6

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Intakte Fassade aber seit Jahrzehnten leer: Krippgasse 6 in Hall

Kompromisse sind notwendig

Trotz der Sorgenkinder merkt Jud an, dass es in Tirol „eine im Großen und Ganzen positive Einstellung“ zum Denkmalschutz gebe. Es gebe aber viel Gesprächsbedarf um etwa Bauherrn, Architekten, Politik oder Gemeinden zu überzeugen, etwas zu erhalten. Wenn ein großes Team am gleich Strang ziehe, dann seien meist Lösungen möglich. Diese Lösungen seien oft Kompromisse, aber „wichtig ist uns, dass die Objekte benützt werden und weiterleben können“. Denkmalgerechte Sanierungen würden viel mehr auf das Objekt eingehen und zu Lösungen führen, die gar nicht so teuer seien. Natürlich könnten die Kosten manchmal auch höher sein, etwa bei Fassadenmalereien, aber dafür gebe es auch Zuschüsse.

Ein derzeit gut sichtbares Beispiel für einen solchen Kompromiss ist das ehemalige Ölkopfbadehaus oder Bader-Mayr-Haus in Hall. Das Haus war das am längsten leerstehende Haus in Hall. Mit neuen Besitzern konnte das Denkmalamt nach langen Diskussionen einen Kompromiss aushandeln, der in einer leichten Hebung des Daches besteht, sodass eine Dachwohnung untergebracht werden konnte. Durch diesen Kompromiss konnte auch die Finanzierung leichter bewerkstelligt werden.

Verfallenes Haus wird renoviert

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Kompromisslösung beim Ölkopfbadehaus in Hall

Eine Rettung soll auch für das Haus Münzergasse 1 in Sicht sein. Das Haus war 2007 in die Schlagzeilen gekommen, nachdem es in dem schon damals stark baufälligem Haus bei Bauarbeiten zu einem Deckeneinsturz kam, bei dem ein Bauarbeiter ums Leben kam. Jetzt gibt es ein neues Projekt für einen Nutzung als Wohnhaus. Ein großer Teil der Wohnungen soll bereits verkauft sein, so Jud. Wenn genügend Wohnungen verkauft seien, könne man laut dem Bauherrn noch diesen Herbst mit dem Bau beginnen, so Jud.

Das baufällige und denkmalgeschützte Haus Münzergasse 1 in Hall in Tirol

Hermann Hammer

Nach jahrelangem Stillstand und Verfall soll es für das Haus Münzergasse 1 in Hall jetzt eine Lösung geben.

Tag des Denkmals am Sonntag

Der heurige Tag des Denkmals am Sonntag den 29. September steht unter dem Motto „aus Stein?“. An diesem Tag können unter anderem auch wieder sonst nicht öffentlich zugängliche Denkmäler besichtigt werden wie etwa die Burg Matzen in Reith im Alpbachtal.

Hermann Hammer; tirol.ORF.at

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