Nach Studie: Stadt Innsbruck erkennt Ehrenzeichen ab

Beim Aufarbeiten von Missbrauchsfällen in Tiroler Heimen will die Stadt Innsbruck ein Zeichen setzen und zwei Sozialehrenzeichen aberkennen. Das beschloss am Mittwoch der Stadtsenat, nachdem Historiker ein Gutachten präsentiert hatten.

Im Vorjahr wurde das Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck beauftragt, eine Studie über die Vorwürfe hinsichtlich Gewalt und Missbrauch durch mittlerweile verstorbene Sozialehrenzeichenträger der Stadt Innsbruck zu erstellen - mehr dazu in Träger von Ehrenzeichen am Prüfstand.

Pater Magnus Kerner leitete die Bubenburg

In jüngerer Vergangenheit waren gegen Pater Magnus Kerner Vorwürfe hinsichtlich Gewalt und Missbrauch erhoben worden. Kerner hatte ab 1949 das Seraphische Liebeswerk und damit das Knabenheim St. Josef in Fügen, das in Bubenburg umbenannt wurde, geleitet. Diese leitete er mit Unterbrechungen bis zu seinem Tod im Jahr 1990.

Die Historiker kamen bei ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Kerner als Leiter der Bubenburg für langjährige Vertuschung von Gewalt und sexuellen Übergriffen durch Laienerzieher verantwortlich gewesen sei.

Sozialehrenzeichen

Das Sozialehrenzeichen der Stadt Innsbruck wird an natürliche oder juristische Personen verliehen, die sich auf dem Gebiet der Sozialarbeit besondere Verdienste erworben haben.

„Er unterließ in den entsprechenden Fällen nicht nur Meldungen an das Jugendamt, sondern brachte die Fälle auch nicht zur Anzeige. Auffällig gewordene Mitarbeiter wurden zwar entlassen, teilweise aber mit hervorragenden Arbeitszeugnissen, wodurch diese in anderen Heimeinrichtungen ihre Tätigkeit fortsetzen konnten“, so Zeithistoriker Horst Schreiber.

„Kerner Instanz der Erniedrigung“

Doch vor allem Kerner selbst sei als ausgesprochen gewalttätig bekannt gewesen. Er habe in der Bubenburg ein System der Unterdrückung, der Gewalt und der permanenten Erniedrigung der Heimkinder und -jugendlichen installiert. Auch berichteten viele ehemalige Heiminsassen im Rahmen der Studie von zahlreichen sexuellen Übergriffen durch Kerner. „Er war eine Instanz der Erniedrigung und für die furchtbaren Zustände in der Bubenburg hauptverantwortlich“, so Schreiber.

Hermann Pepeunig stark in Hitlerjugend engagiert

Hermann Pepeunig wurde 1911 in Pettau in der Steiermark geboren und kam 1919 nach Innsbruck. Schon 1932 trat er der NSDAP bei. In weiterer Folge war er Mitglied der SA, später der SS und engagierte sich besonders im Rahmen der Hitlerjugend (HJ). 1938 bewarb sich Peteunig beim Reichsarbeitsdienst, der vor allem der vormilitärischen Ausbildung junger Männer und später als Rekrutierungsreserve der Waffen-SS diente. Ab 1940 führte er als HJ-Bannführer den HJ-Bann Kufstein, ab 1941 zusätzlich den HJ-Bann Innsbruck.

Mai 1945: Kampf mit Hitlerjungen gegen Amerikaner

Seinen fanatischen Glauben an den Nationalsozialismus unterstrich Pepeunig, als er noch am 1. Mai 1945 bei Scharnitz den anrückenden Verbänden der Amerikaner mit einer Schar Hitlerjungen entgegentrat - die Zahl der dabei getöteten Hitlerjungen lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit bestimmen.

„Es ist nach unserer umfangreichen Recherche absolut klar, dass es sich bei Hermann Pepeunig um einen zutiefst vom Nationalsozialismus überzeugten Mann gehandelt hat“, so Sabine Pitscheider, ebenfalls Mitglied der Historikerkommission.

1945 wurde Pepeunig durch die alliierten Besatzungstruppen verhaftet. Er wurde zum kasernierten Arbeitseinsatz eingeteilt und musste dabei Zwangsdienst im Sinne des Wiederaufbaues leisten. Angesichts der Massen an Ermittlungsverfahren mussten sich die Behörden allerdings auf „höhere“ NS-Täter und -Täterinnen konzentrieren, und das Verfahren gegen Pepeunig wurde ausgesetzt.

Mehrfach wegen Körperverletzung angezeigt

Ab 1950 war Pepeunig Angestellter des Landesjugendreferates, das er zunächst ehrenamtlich unterstützt hatte. Ab 1953 war er der erste Geschäftsführer des neu gegründeten Vereines Aufbauwerk der Jugend. Auch seine Einstellung in Erziehungsfragen war durchaus von Gewalt geprägt - zwei entsprechende Anzeigen wegen Körperverletzung gegenüber Jugendlichen in den 1950er bzw. 1960er Jahren belegen das deutlich.

Auch Pepeunig war eine bekannte, von offiziellen Stellen geschätzte und bestens vernetzte Person, die trotz ihrer einschlägigen NS-Vergangenheit zahlreiche Ehrungen verschiedener Gebiestkörperschaften erhielt – 1983 das Sozialehrenzeichen der Stadt Innsbruck. Nach seiner Pensionierung vom Landesdienst 1976 amtierte Pepeunig bis 1985 weiter als Geschäftsführer des Aufbauwerkes der Jugend. Er starb 1990.