Weiterer Rückgang der Gletscher

2012 war für die Tiroler Gletscher kein gutes Jahr. 98 Prozent sind wieder zurückgeschmolzen, so der aktuelle Gletscherbericht des Oesterreichischen Alpenvereins. Der Längenverlust der Gletscher beträgt im Durchschnitt 17,4 Meter.

Einen Negativrekord erreichte diesmal die Salzburger Pasterze am Großglockner mit einem Minus von 97,3 Metern, gefolgt vom Gepatschferner im Kaunertal (- 72,7 m) und dem Waxeggkees im Zillertal (-52 m).

Kein einziger Gletscher ist gewachsen

Bei 93 von den 95 beobachteten Gletschern wurde ein Rückgang registriert, kein einziger Gletscher konnte im Beobachtungszeitraum 2011/2012 einen Vorstoß verzeichnen. In ihrer Länge unverändert blieben nur das Rote-Kopf-Kees in der Schobergruppe und der Eiskargletscher in den Karnischen Alpen.

13 Gletscher schmolzen um mehr als 30 Meter zurück, acht davon mussten sogar über 40 Meter Länge einbüßen. Rekordhalter unter den schrumpfenden Eisriesen ist die Pasterze, die im vergangenen Jahr um 97,3 Meter zurückging. Sie erreicht damit einen negativen Höhepunkt in der Geschichte der Gletschermessung seit 1879: noch nie ist die Eiszunge am Fuße des Großglockners so stark zurückgeschmolzen. In den Jahren zuvor waren es noch -40,3 beziehungsweise -24,7 Meter.

Noch bestehende Gletscherzunge

Norbert Span

Der Kesselwandferner im Rofental bei Vent in den Ötztaler Alpen fotografiert 1998.

Berg ohne Gletschereis

Norbert Span

Die Zunge des Kesselwandferners ist 2012 vollständig abgerissen.

Die 15 stärksten Gletscherrückgänge 2011/12

  • Pasterze (Glocknergruppe) -97,3
  • Gepatschferner (Ötztaler Alpen) -72,7
  • Waxeggkees (Zillertaler Alpen) -52,0
  • Viltragenkees (Venedigergruppe) -46,5
  • Vernagtferner (Ötztaler Alpen) -46,2
  • Hochjochferner (Ötztaler Alpen) -43,1
  • Hornkees (Zillertaler Alpen) -43,0
  • Guslarferner (Ötztaler Alpen) -41,7
  • Obersulzbachkees (Venedigergruppe) -36,0
  • Triebenkarlasferner (Stubaier Alpen) -34,0
  • Diemferner (Ötztaler Alpen) -32,6
  • Grünauferner (Stubaier Alpen) -31,2
  • Schalfferner (Ötztaler Alpen) -30,4
  • Taschachferner (Ötztaler Alpen) -28,0
  • Hochalmkees (Ankogel-Hochalmspitzgruppe) -27,4

Schuld sind hohe Temperaturen

„Schuld an den Rückgängen sind die überdurchschnittlich hohen Temperaturen im letzten Jahr“, erklärt Andrea Fischer, Leiterin des Alpenverein-Gletschermessdienstes. „Der Niederschlag war im Winter außerdem sehr ungleichmäßig verteilt. So hat der Alpennordrand extreme Schneefälle abbekommen, im Süden lagen die Schneemengen aber stark unter dem Durchschnitt. Manche Gletscher erhielten daher erst im Spätwinter ihre schützende Schneeschicht. Dazu kamen die hohen Temperaturen im November 2011, die in der Wintersaison zu einem Temperaturplus von 1,3 Grad gegenüber dem langjährigen Mittel führten. Auch im Sommer war es im Schnitt um 2,2 Grad zu warm für unsere Gletscher“, so Fischer.

Der größte Gletscher Österreichs, die Pasterze, hat im Beobachtungszeitraum ein Rekordminus eingefahren. Um 97,3 Meter kürzer als im Vorjahr ist die berühmte Eiszunge im Nationalpark Hohe Tauern. Die Eisoberfläche der Pasterze ist um 4,6 Meter gesunken, auch ihre Fließgeschwindigkeit hat sich um 1,3 Meter pro Jahr verringert und beträgt nun nur mehr 5,2 Meter pro Jahr.

Mit weiterem Rückgang ist zu rechnen

Laut Fischer ist auch in den nächsten Jahren noch mit Rückgängen zu rechnen: „Die Gletscher passen sich derzeit an das warme Klima an, den vorherrschenden Temperaturen können sie so nicht standhalten. Das betrifft vor allem die langen Gletscherzungen, die eine größere Angriffsfläche bieten und sich daher erst auf eine stabile Größe zurückziehen müssen. Erst nach längeren Kälteperioden wird wieder ein Vorstoß möglich sein“, so die Glaziologin.

An vielen Gletschern nimmt derzeit die Schuttbedeckung der Oberfläche stark zu. Das Material rutscht durch Felsstürze und von den Seitenmoränen auf die Gletscheroberfläche und bedeckt das Eis. Dadurch ist der Gletscher oft, auch für die Vermesser, schwer einzugrenzen. Der Schutt verlangsamt die Abschmelzung der Gletscher, da die Energie der Sonnenstrahlung nicht mehr bis zum Eis durchkommt. Dazu muss die Schuttschicht aber mehrere Dezimeter dick sein.

Gletscher werden nicht verschwinden

„Ich halte ein Szenario, welches das vollkommene Verschwinden der Gletscher voraussagt, für sehr unwahrscheinlich“, sagte Fischer. Durch das verstärkte Abschmelzen des Eises würde der Schutt, der sich normalerweise im Eis befinde, auf der Gletscheroberfläche zunehmen, erläuterte die Expertin. „Durch den Schutt kann die Energie der Sonnenstrahlung nicht mehr bis zum Eis durchkommen“, erläuterte Fischer.

Für diesen Schutzeffekt müsse die Schuttschicht jedoch mehrere Dezimeter dick sein. Bei nur wenig Schutt würde diese jedoch wie eine Heizung wirken und das Abschmelzen verstärken. „Derartige dick bedeckte Gletscherblöcke können über 5.000 Jahre hinweg gleich bleiben“, sagte Fischer. Der Alpenverein führt seit 122 Jahren Messungen an Gletschern durch.

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